NRW-Innenminister Ralf Jäger "Anis Amri wurde falsch eingeschätzt"

Düsseldorf · Nordrhein-Westfalens Innenminister Ralf Jäger (SPD) hat im Fall des islamistischen Attentäters von Berlin, Anis Amri, Fehleinschätzungen eingeräumt. Einen Rücktritt lehnte er vor dem Innenausschuss am Donnerstag ab.

 Unter Druck: Ralf Jäger.

Unter Druck: Ralf Jäger.

Foto: dpa, fg jai

"Mit dem Wissen von heute ist uns allen klar: Anis Amri wurde falsch eingeschätzt", sagte der Minister am Donnerstag im Innenausschuss des Düsseldorfer Landtags. Jäger verwies auf die Einschätzung der 40 im Terrorabwehrzentrum GTAZ vertretenen Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern, die übereinstimmend bei Amri keine konkreten Anschlagspläne gesehen hatten.

Jäger betonte aber auch: "Vor der Schuldfrage muss die Analyse kommen." Die Landesregierung werde sich an umfassender Aufklärung beteiligen. Amri hatte am 19. Dezember einen Lastwagen in einen Weihnachtsmarkt in Berlin gesteuert und zwölf Menschen getötet.

Die Sicherheitsbehörden hätten beim dem als islamistischer Gefährder eingestuften Amri getan, "was rechtlich möglich war", sagte Jäger. Die aktuelle Rechtslage sei aber lückenhaft. Es sei schwer, Gefährder festzusetzen. Im Aufenthaltsgesetz solle daher neu als Haftgrund "Einstufung als Gefährder" aufgenommen werden, regte Jäger an. Die viel diskutierte Einführung einer Fußfessel für Gefährder könne sich hingegen als rechtlich problematisch erweisen.

Der Bund will nach Worten des SPD-Politikers Lücken schließen, um Sicherheits- und Ausländerbehörden erweiterte Befugnisse zu geben. Der ausreisepflichtige Tunesier Amri habe nicht in Abschiebehaft genommen werden können. "Abschiebehaft ist keine Präventivhaft", sagte Jäger. Auch für eine Abschiebungsanordnung wegen einer terroristischen Gefahr seien die Hürden zu hoch gewesen.

Die Opposition wiederholte ihre Rücktrittsforderungen gegen Jäger. Die CDU warf ihm "eklatante Fehler" vor. Der Minister solle die Verantwortung übernehmen, forderte CDU-Innenexperte Gregor Golland und fragte: "Was braucht es eigentlich noch, um einen Minister aus dem Verkehr zu ziehen?"

FDP-Vizefraktionschef Joachim Stamp verlangte, angesichts einer "fortgesetzten Verantwortungslosigkeit" solle Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) ihren Minister entlassen. Abschiebehaft sei bei Amri möglich gewesen. Man hätte eine Ausweisungsverfügung prüfen, zumindest Meldeauflagen verhängen müssen. Auch Untersuchungshaft wäre gerechtfertigt gewesen.

Der Piraten-Abgeordnete Frank Herrmann kritisierte, die Behörden hätten "nur zugeschaut" und den gefährlichen Islamisten gewähren lassen.

In Nordrhein-Westfalen war Amri am 17. Februar 2016 als Gefährder eingestuft worden. Jäger zufolge wurde er von November 2015 bis Ende Mai 2016 "engmaschig und durchgehend" überwacht, wann immer er sich in NRW aufgehalten habe. Die Frage, wie häufig sich der spätere Attentäter - er war mit 14 Identitäten in Deutschland unterwegs - in NRW aufhielt, spielte mit Blick auf Jägers Verantwortung eine größere Rolle. Nach Angaben des Innenministers war Amri vor dem Anschlag an 40 von 300 Tagen in Nordrhein-Westfalen.

(dpa)
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