Serie: Der RRX kommt (1) Das Jahrhundert-Projekt

Düsseldorf · Der Rhein-Ruhr-Express (RRX) ist das wichtigste Infrastruktur-Vorhaben in NRW. Die 800 Millionen teure Fahrzeugflotte ist schon bestellt. Bis wann die Strecke fertig wird, ist unklar. Im dicht besiedelten Gebiet zwischen Duisburg und Düsseldorf neue Gleise zu verlegen, ist eine Mammutaufgabe.

Rhein-Ruhr-Express (RRX): Chancen und Hürden des Jahrhundert-Projekts
Foto: Ferl

Schon zu Kaisers Zeiten hatten helle Köpfe erkannt, dass eine elektrische Schnellbahn von Köln über Düsseldorf nach Dortmund mit viertelstündlich fahrenden Zügen viele Verkehrsprobleme lösen könnte. Das Projekt "Rheinisch-Westfälische Schnellbahn" versandete jedoch in den Zwanziger Jahren. Ziemlich genau hundert Jahre später geht die Schnellbahn nun tatsächlich an den Start - als Rhein-Ruhr-Express, wobei das "E" von Express auf den Zügen wegen der modischen Abkürzung "RRX" fehlen wird.

Die Züge, die bei Siemens vor allem im Werk Krefeld gebaut werden, sind vorerst das Handfesteste am RRX. Stückzahl (82), Design (weiß/grau/orange mit Pünktchen) und technische Daten (in 72,5 Sekunden auf 160 km/h) sind festgelegt. Zum ersten Mal in Deutschland liefert der Hersteller die Züge nicht nur, sondern übernimmt auch für 32 Jahre die Wartung. Er garantiert die ständige Verfügbarkeit der 800 Millionen Euro teuren Fahrzeugflotte.

Die ersten RRX-Züge sollen Ende 2018 auf rheinischen und westfälischen Gleisen rollen, allerdings sicherlich noch nicht auf extra für den RRX verlegten Gleisen. Die große Unbekannte bei dem Jahrhundertprojekt ist der Termin, zu dem die Strecke von Köln bis Dortmund komplett fertiggestellt sein wird.

Um Züge im 15-Minuten-Takt vom Rhein an die Ruhr schleusen zu können, ohne dass der übrige Eisenbahnverkehr beeinträchtigt wird, braucht der RRX möglichst überall eigene Gleise. Dies in einer derart dicht besiedelten Region zu verwirklichen, fordert von Politikern und Ingenieuren ein Höchstmaß an Kreativität, Sorgfalt und Fingerspitzengefühl.

Die Vorteile des RRX, von denen alle profitieren, liegen auf der Hand: Schätzungsweise mehr als 400 Millionen Pkw-Kilometer pro Jahr werden durch Umsteiger eingespart, die Straßen also entlastet. Die Zuverlässigkeit des Systems Schiene steigt. Die Anlieger an der Bahnstrecke allerdings werden belastet - durch die zusätzlichen Züge.

Auch wenn der RRX leise unterwegs sein wird, muss für Lärmschutz gesorgt werden, und der darf nicht nur aus unansehnlichen, die Sicht versperrenden Wänden bestehen.

Die Entscheidung, die Rheintalbahn im badischen Offenburg für 1,2 Milliarden Euro teilweise in den Untergrund zu verlegen, weckt auch andernorts Tunnel-Wünsche. Aber: Die Kosten für den Bau der gesamten RRX-Infrastruktur (Strecken, Bahnhöfe) gibt NRW-Verkehrsminister Michael Groschek (SPD) mit knapp 2,7 Milliarden Euro an. In dieser Summe sind aufwändige Tunnel-Lösungen nicht einkalkuliert. Die wirklichen Kosten des Gesamtprojekts sind im Grunde ebenso schwer absehbar wie das endgültige Fertigstellungsdatum.

Das Geld für Nordrhein-Westfalens wichtigstes Infrastrukturprojekt kommt vom Bund. Die Summe entspricht ungefähr dem Betrag, den Berlin zur Finanzierung des Metrorapid beisteuern wollte. Die Magnetschwebebahn, die übrigens nur zwischen Dortmund und Düsseldorf geplant war, geisterte einige Jahre durch die NRW-Politik. Im Sommer 2003 beerdigte der damalige Ministerpräsident Peer Steinbrück das von seinem Vorgänger Wolfgang Clement forcierte Projekt.

Seitdem wird an dem Nachfolgeprojekt gearbeitet, das anfangs "MetroExpress" hieß und jetzt als RRX Karriere machen soll. Die großen Anhörungsverfahren mit Beteiligung der betroffenen Bürger und erst recht die Genehmigungsverfahren sind noch gar nicht angelaufen.

Der RRX - neue Züge für fünf Regionallinien
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Der RRX - neue Züge für fünf Regionallinien

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Foto: Siemens/VRR/dpa

Zwischen Dortmund und Duisburg liegen genügend Gleise, hier ist wenig zu tun. Aber der rheinische Abschnitt hat es in sich; Duisburg-Düsseldorf ist geradezu das Herzstück des RRX. Hier gibt es die größten Zuwächse an Fahrgästen (25 Prozent binnen sechs Jahren), hier soll der RRX eine Verdopplung der Sitzplatzzahl bringen. Unabdingbare Voraussetzung für diese Leistungssteigerung sind zwei zusätzliche Gleise, damit Fernverkehr, S-Bahnen und RRX getrennt werden können.

Wann die Bypässe am RRX-Herz gelegt sind? Lothar Ebbers, gelernter Verkehrsplaner und Experte von Pro Bahn, hat früher auf diese Frage mit "202x" geantwortet. Mittlerweile hält er es für möglich, dass erst nach 2030 die Endstufe erreicht ist. Er betont aber, dass der RRX mit jeder einzelnen, bis dahin erreichbaren Zwischenstufe den Bahnverkehr voranbringt. In jedem Fall sei das Projekt in vieler Hinsicht eine Pioniertat.

Nicht nur mit der dauerhaften Beteiligung des Fahrzeugherstellers seien neue Wege beschritten worden, auch bei der Zusammenarbeit des ehemaligen Monopolisten Deutsche Bahn (DB) mit seinen Konkurrenten. Bei der Auftragsvergabe für den Betrieb der Züge ging die DB zwar leer aus, Abellio und National Express werden den RRX fahren. Aber die Deutsche Bahn wird über ihre Töchter DB Netz sowie Station und Service dauerhaft mitverdienen.

Raffinierterweise gehören die Züge den beteiligten Verkehrsverbünden, die mit ihrer hohen Kreditwürdigkeit zu märchenhaft niedrigen Zinsen an das nötige Geld kamen. Als Architekt dieses RRX-Modells gilt Martin Husmann, Vorstand des Verkehrsverbunds Rhein-Ruhr. Folgerichtig überreichte ihm Lothar Ebbers zu einem runden Geburtstag einen Nachdruck der "Denkschrift zur Rheinisch-Westfälischen Schnellbahn", die der VRR-Chef ja nun hundert Jahre später mit verwirklichen helfe.

(RP)
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