Serie: Rheinliebe Eigene Sprache, eigene Regeln, eigene Welt

Bonn · Täglich passieren 400 Schiffe die Stadt Köln, rund 600 die deutsch- niederländische Grenze. Dass da nur wenig passiert, ist kein Wunder, sondern das Ergebnis strenger Vorschriften.

Erinnern Sie sich noch an Ihre Führerscheinprüfung? Das Einparken unter dem strengen Blick des Prüfers, die Schweißtropfen auf der Stirn. Und das Büffeln für die Theorie, all die Vorfahrtsregeln und Verkehrszeichen. Stellen Sie sich nun vor, Sie steuern nicht Ihren mit zwei Koffern beladenen, mit Servolenkung und ABS ausgestatteten Pkw über Deutschlands Landstraßen, sondern ein 185 Meter langes, 17 Meter breites, mit 300 Containern beladenes Monstrum über eine der verkehrsreichsten Binnenwasserstraßen der Welt. Dann ahnen Sie vielleicht, warum Sie sich erst nach drei Jahren Fahrt als Matrose zur Prüfung für das Rheinschifferpatent anmelden dürfen. Und dieses Patent gilt nur für exakt den Streckenabschnitt (inklusive Nebenflüssen und Kanälen), den Sie als Matrose in den vergangenen drei Jahren regelmäßig und nachweislich befahren haben.

Täglich passieren im Schnitt 400 Schiffe die Stadt Köln, rund 600 die deutsch-niederländische Grenze - privat genutzte Kleinfahrzeuge (unter 20 Metern) wie Kanus, Ruderboote, Segeljollen, Jetskis oder Sportboote gar nicht mitgerechnet. Dass da nicht mehr Unfälle passieren - jedenfalls deutlich weniger als auf den Straßen an Land - hat auch mit der beinharten Prüfung zum Rheinschifferpatent zu tun: Künftige Kapitäne müssen auf dem Streckenabschnitt, für den sie zugelassen werden möchten, jede Boje, jede Biegung, jeden Brückenpfeiler im Schlaf herunterbeten können - gleich, ob sie später einen bis zu 185 Meter langen Schubverband, ein Tankschiff, einen Schüttgutfrachter, ein Ausflugsschiff der Weißen Flotte mit 200 Passagieren an Bord, ein schwimmendes Hotel oder eine Fähre steuern.

An Land regelt die Straßenverkehrsordnung den Verkehr; auf dem Wasser (vom Main-Donau-Kanal bis zur Elbe vor Hamburg, von der Oder bis zum Dortmund-Ems-Kanal) ist dies die Binnenschifffahrtsstraßenordnung - und auf Deutschlands verkehrsreichster Binnenwasserstraße zudem noch die Rheinschifffahrtspolizeiverordnung. Einige nautische Regeln sind vielleicht ganz aufschlussreich, wenn Sie bei Ihrem nächsten Besuch am Ufer das geschäftige Treiben auf dem Fluss beobachten.

Steuerung Das Ruder eines Schiffes reagiert nur träge und mit Verzögerung auf Lenk- und Gegenlenkbewegungen. Und im Rückwärtsgang überhaupt nicht, weil dann die Schraube das Ruderblatt nicht anströmt. Bei Vorwärtsfahrt gilt: Je langsamer sich die Schraube dreht, desto schwächer fällt die Lenkleistung aus. Außerdem hat ein Schiff keine Bremse - aber der Rhein eine Fließgeschwindigkeit von durchschnittlich fünf bis sechs Stundenkilometer, bei Hochwasser deutlich mehr. Der Schiffsführer muss stets hochkonzentriert sein, vorausdenken und sich frühzeitig für einen Kurs entscheiden, will er nicht den nächstbesten Brückenpfeiler rammen.

Verkehrsschilder

Den Kurs Richtung Flussmündung nennt man Talfahrt, Richtung Quelle Bergfahrt. Fahrwasser heißt das Wasser, das Schiffe (je nach Tiefgang und auf eigenes Risiko) nutzen dürfen, Fahrrinne hingegen jener Teil des Fahrwassers, für deren Wassertiefe sich die Wasser- und Schifffahrtsämter verbürgen und per Ausbaggern sicherstellen. Die Fahrrinne kennzeichnet kegelförmige grüne und zylindrische rote Bojen (im Nautik-Jargon: Tonnen, Betonnung). In Blickrichtung Mündung begrenzen rote Tonnen den rechten Rand der Fahrrinne, sobald die nicht bis ans Ufer reicht, grüne Tonnen den linken Rand. Rot-grün-gestreifte Tonnen zeigen eine Zweiteilung der Fahrrinne an. Eine weitere wichtige Farbe: Gelbe Tonnen zeigen Gefahrenzonen an, etwa Brückenpfeiler. Manche sind mit Reflektoren ausgestattet, damit sie nachts per Radar sichtbar sind.

Gegenverkehr

Von Duisburg-Ehingen bis zur niederländischen Grenze gilt wie auf Autostraßen ein Rechtsfahrgebot (Begegnung Backbord an Backbord) - auf dem langen Abschnitt von der Neckarmündung bis Duisburg aber nicht. Hier hat der Bergfahrer das Weisungsrecht und entscheidet, auf welcher Seite ihn der Talfahrer passieren darf. Sollen sich zwei Schiffe an Steuerbord (Linksverkehr) begegnen, klappt der Bergfahrer an Steuerbord (rechte Seite des Schiffes) eine blaue quadratische Tafel aus. Die ist gekoppelt mit einem weißen Blinklicht für die Nachtfahrt (im Nautik-Jargon: Funkellicht). Der Talfahrer gibt nun dasselbe Signal, um dem Bergfahrer zu zeigen: Ich habe dich verstanden und ändere meinen Kurs. Die Regelung stammt noch aus der Zeit der schwach motorisierten Dampfschiffe, damit die sich bei der Bergfahrt das strömungsärmste Wasser aussuchen konnten.

Wenn Sie es also mal abends auf dem Wasser weiß blinken sehen, wissen Sie, was es damit auf sich hat. Sollte es allerdings blau blinken, dann ist es - wie an Land - die Polizei, in diesem Fall die Wasserschutzpolizei.

Kennzeichen

Schiffe tragen fantasievolle Namen und werden bei Eigner-Wechseln auch gerne schon mal umgetauft. Für Profis wichtiger ist jedoch die an drei Seiten des Schiffes anzubringende achtstellige ENI-Nummer (European Number of Identification), vergleichbar mit dem Kfz-Kennzeichen. Ferner finden Sie an beiden Schiffsseiten Angaben zu Länge, Breite und Tonnage (maximale Zuladung) bzw. bei Passagierschiffen die maximale Personenzahl. Und meist am Heck den Namen des Heimathafens. Wundern Sie sich nicht, wenn sie am Heck den Namen Valletta lesen: Die Hauptstadt des Inselstaates Malta als Heimathafen lockt mit steuerlichen und rechtlichen Vorteilen - auch wenn ein solches Binnenschiff technisch gar nicht in der Lage wäre, jemals das Mittelmeer anzulaufen.

Beleuchtung

Schiffe verraten selbst in stockdunkler Nacht eine Menge über sich und ihre Fracht (siehe unten). Nach Einbruch der Dämmerung ist an der Steuerbordseite (die rechte Seite des Schiffes in Fahrtrichtung) ein grünes Licht, an der Backbordseite (linke Seite) ein rotes Licht einzuschalten. So können Sie auch in absoluter Finsternis rasch erkennen, ob der Schubverband vor Ihnen denselben Kurs wie Sie fährt - oder aber frontal auf Sie zusteuert. Eine lebenswichtige Information.

Turbo-Fahrt Frachtschiffe betätigen sich gerne schon mal als Wellenreiter. Wenn es flussaufwärts und über den großen Nebenflüssen wie Neckar, Main oder Mosel heftig regnet, steigt der Rhein nicht selten innerhalb weniger Tage um zwei Meter; kurze Zeit später ist die Welle durch. Erfahrene Frachtschiffer nutzen das Phänomen, laden für die anstehende Talfahrt mehr als gewöhnlich und surfen auf der Welle flussabwärts. Bei Niedrigwasser genügt Schiffen (gleich welcher Größe) notfalls 30 Zentimeter Flottwasser zwischen Kiel und Grund.

Die Hupe

Ob Sportboot-Führerschein, Binnen- oder großes Rheinschifferpatent: Aspiranten müssen 15 verschiedene akustische Signale beherrschen, die sich aus kurzen (eine Sekunde) und langen Tönen (vier bis sechs Sekunden) zusammensetzen. Benutzt werden sie in der gewerblichen Schifffahrt in Zeiten des permanenten UKW- Funks aber nur noch selten - außer gelegentlich das Achtung-Signal (ein langer Ton).

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort