Ein Lebensmittelkontrolleur berichtet Bei Kräuterbutter und Milchkaffee wird es schnell eklig

Düsseldorf · Nach jahrelanger Diskussion hat der Düsseldorfer Landtag die so genannte "Hygiene-Ampel" beschlossen. Wie hygienisch geht es in den Gastronomie- und Lebensmittelbetrieben wirklich zu? Zehn Fragen an einen erfahrenen Lebensmittelkontrolleur.

 Die Deutschen lieben Cappuccino. Aber wie sehen die Milchschläuche am Kaffeeautomaten aus?

Die Deutschen lieben Cappuccino. Aber wie sehen die Milchschläuche am Kaffeeautomaten aus?

Foto: dpa, Mascha Brichta

An der Ladentheke kann der Kunde schnell erkennen, ob die Produkte sauber aussehen. In einem Restaurant ist das schon schwieriger. Das Gesetz der rot-grünen Landesregierung sieht deshalb vor, die Ergebnisse der städtischen Hygieneüberprüfung für alle Kunden sichtbar zu machen. Mit einer "Hygiene-Ampel" sollen sich die Kunden bereits an der Ladentür über die Ergebnisse informieren können.

Ein erfahrener Lebensmittelkontrolleur, der anonym bleiben möchte, erzählt, wie es wirklich um die Lebensmittelhygiene im Land bestellt ist. Neben Schaben und verdreckten Milchschläuchen ist ein ganz neues Problem hinzugekommen: Verbrauchertäuschung.

Sie sind seit fast 20 Jahren in der Lebensmittelüberwachung tätig. Wie oft kommt es vor, dass Betriebe geschlossen werden müssen?

Lebensmittelkontrolleur Eigentlich nicht sehr häufig. Bei 3500 bis 4000 Kontrollen im Jahr müssen wir vielleicht 30 bis 40 Betriebe schließen, um die Verbraucher zu schützen. Dann können wir nicht sicherstellen, ob von den Lebensmitteln tatsächlich keine Gesundheitsgefahr für den Verbraucher ausgeht.

Und woran machen Sie das fest?

Lebensmittelkontrolleur Das kann man eigentlich ziemlich schnell feststellen. Wenn ich eine Küche betrete, in der es unangenehm riecht, die Mülleimer überquellen, ich zu starke Verschmutzungen, Berge von ungereinigtem Geschirr nahe der Kochstelle und Schädlinge sehe, ist das ein klares Zeichen dafür, dass die Gesamthygiene nicht stimmt. Auch zu viel rohes Fleisch, das ungekühlt neben der Kochstelle liegt, kann ein Warnzeichen sein.

Was ist der schlimmste Fall, an den Sie sich erinnern können?

Lebensmittelkontrolleur Ich habe mal einen Laden untersucht, da sind mir die Schaben direkt entgegen gelaufen. Das ist schon ungewöhnlich, weil sich Schaben in der Regel zurückziehen, wenn zu viel Trubel herrscht. Das war ein eindeutiges Signal. Das größte Problem, dass wir derzeit in der Überwachung sehen, ist aber eigentlich ein anderes: Verbrauchertäuschung. Inhalts- und Zusatzstoffe werden nicht richtig gekennzeichnet, etwa Konservierungs- und Farbstoffe. Der Kunde muss genau wissen, was er isst. Ist das wirklich Käse, was auf dem Brötchen liegt oder nur ein Imitat? Das ist aber auch bei Allergien wichtig. Wer Glutamat nicht verträgt, muss auch wissen, dass Glutamat drin ist.

Welche Bereiche in den Läden sind besonders knifflig?

Lebensmittelkontrolleur Ein ganz klassisches Beispiel sind die Sahnemaschinen in Eisdielen. Da stellt man als Kontrolleur oft fest, dass nicht ausreichend gereinigt wurde. Das Gleiche sehen wir auch bei Kaffeemaschinen und den zugehörigen Milchschläuchen. Was oft daran liegt, dass das Personal nicht ausreichend geschult wurde. Gerade in Bäckereien sind ja gerne mal Aushilfskräfte im Verkauf. Oftmals fehlt es dem Personal aber auch an der nötigen Zeit, sich um die Reinigung der Geräte zu kümmern. Was im Sommer auch immer wieder zum Problem wird, sind Fliegen, Bienen und Wespen in der Ladentheke. Das darf nicht sein. Da muss das Personal dafür sorgen, dass die Ware ausreichend geschützt ist. Ein Klassiker ist dann natürlich noch, dass Lebensmittel mit der Hand angefasst werden. Es ist nicht richtig, wenn die Verkäuferin gleichzeitig Brötchen in eine Tüte packt und Geld kassiert, ohne Handschuhe zu benutzen.

Sieht es in den Restaurants besser aus?

Lebensmittelkontrolleur Was gerade bei italienischen Restaurants immer wieder zu Beanstandungen führt, ist die Kräuterbutter, die auf den Tisch kommt. Wenn der Kunde da genauer hinschaut, kann er oftmals schon unterschiedliche Farbschichten erkennen. Da wird dann einfach in der Küche auf den Teil der übrig geblieben ist, die neue Butter gestrichen und die Ware wieder rausgeschickt. Das gilt auch für Brotkörbchen, wenn Brotscheiben gleich mehrfach auf den Tischen landen.

Wie sieht es mit der Hygiene des Personals aus?

Lebensmittelkontrolleur Auch da stellen wir immer wieder Mängel fest. Wenn ein Mensch nicht auf die eigene Körperhygiene achtet, hat er in der Regel auch kein Gespür für den richtigen Umgang mit Lebensmitteln. Das Wichtigste aber, und das gilt für alle Betriebe, ist das regelmäßige Händewaschen. Wenn in einer Metzgerei etwa kein Handwaschbecken vorhanden ist, ist das durchaus ein Grund zur Beanstandung.

Worauf können Verbraucher selbst achten?

Lebensmittelkontrolleur Es gibt schon Möglichkeiten, und wir halten die Kunden auch immer wieder an, Mängel selbst anzusprechen. Oft ist es nämlich so, dass wir den eigentlichen Verstoß nicht mitbekommen. Bei Verkäufen an der Theke hat der Kunde auf jeden Fall die Möglichkeit, sich die Ware und auch das Personal genau anzuschauen. Wie sehen etwa die Waagen aus, auf denen Fleisch gewogen wird? Wie sehen die Schneidemaschinen aus? Gibt es in der Filiale ein Handwaschbecken, werden Einmalhandtücher verwendet, oder wischt der Fleischer seine Finger an dem immer gleichen Küchentuch ab? Im Restaurant ist das natürlich wesentlich schwieriger, wenn man nicht in die Küche schauen kann. Hier ist die Körperpflege des Personals entscheidend. In der Regel gilt: Lebensmittel und Betrieb mit allen Sinnen anschauen. Kommen Abweichungen bei Farbe oder Geruch der Produkte vor, sind die Gläser richtig sauber...

Wie oft stellen Sie fest, dass Lebensmittel mit Keimen belastet sind?

Lebensmittelkontrolleur Das macht tatsächlich die kleinste Gruppe der Mängel und Beanstandungen aus. Die Prozentzahl bewegt sich im einstelligen Bereich. Die häufigste Belastung ist bakterieller Natur, aber auch Viren und Pilze spielen eine Rolle. Das prominenteste Beispiel sind natürlich die Salmonellen in Eiern oder Hähnchenfleisch. Aber auch Campylobacter-Bakterien werden öfter festgestellt.

Worauf achtet ein Kontrolleur genau, wenn er einen Betrieb inspiziert?

Lebensmittelkontrolleur Das sind drei Sachen: Als erstes wird nach dem baulichen und technischen Zustand geschaut. Sind die Wände abwaschbar, der Raum muss ausreichend hell sein, stimmt die Be- und Entlüftung. Die Arbeitsflächen dürfen keine Risse haben, um sauber gehalten werden zu können. Dann wird geschaut, wie das Personal mit den Lebensmitteln umgeht, stimmen die Kühltemperaturen, die Erhitzungstemperaturen. Stimmen die Reinigungs- und Desinfektionsmaßnahmen. Und für den Fall, dass Schädlinge auftreten: Wie gehen die Betriebe damit um? Motten, Mäuse, Ratten, Kakerlaken müssen professionell bekämpft werden, und der Betrieb muss dafür sorgen, dass die Schädlinge nicht mit den Lebensmitteln in Berührung kommen. Jeder Lebensmittelunternehmer muss schließlich ausreichend dokumentieren. Auch das wird überprüft.

Können Sie denn selbst noch unbedenklich essen gehen?

Lebensmittelkontrolleur Auf jeden Fall! Auch wenn ich natürlich weiß, worauf man achten sollte, gehe ich nach wie vor sehr gerne essen. Unsere Lebensmittel sind deutlich besser als ihr Ruf. Schaut man sich die Zahlen der Erkrankungen im internationalen Vergleich an, schneiden wir eigentlich gut ab.

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