Eurofighter begleiten Boeing durch NRW So sichern Kampfjets den Luftraum über Deutschland

Köln · Der Kampfjet-Einsatz über Köln hat viele Menschen in der Region verwundert. Zwei Eurofighter waren zu einer indischen Passagiermaschine aufgestiegen, weil es keinen Funkkontakt zu der Boeing gab. Wie funktionieren die Abfangmanöver im deutschen Luftraum?

So sichern Kampfjets den Luftraum über Deutschland
Foto: dpa

Der Vorfall ereignete sich am frühen Donnerstagabend: Ein Passagierflugzeug der indischen Fluggesellschaft Jet Airways mit 345 Menschen an Bord fliegt ohne Funkkontakt in den deutschen Luftraum. Nachdem es der Deutschen Flugsicherung (DFS) mehrere Minuten lang nicht gelingt, Kontakt zur Crew der Boeing 777-300 aufzunehmen, schickt die Luftwaffe zwei Kampfflugzeuge vom Typ Eurofighter Typhoon los. Über Köln sieht man die drei Flugzeuge am Himmel; ein YouTube-Video soll den Vorfall zeigen.

Nach insgesamt zehn Minuten ohne Funkverbindung kann diese wiederhergestellt werden: Den Piloten der indischen Maschine unterlief offenbar ein Zahlendreher beim Eingeben der Funkfrequenz. Das Passagierflugzeug aus Mumbai fliegt wie geplant weiter nach London und landet sicher auf dem Flughafen Heathrow. Nichts passiert. Viel Lärm um wenig also?

"Das ist ein Standard-Procedere für die Luftsicherheit", sagt ein Sprecher der Luftwaffe. Wenn ein Flugzeug sich nicht meldet, versucht zunächst die DFS, auf allen Funkfrequenzen Kontakt herzustellen. Gelingt das nicht, bekommt die sogenannte Alarmrotte binnen kürzester Zeit einen Startbefehl. Diesen gibt das Nationale Lage- und Führungszentrum in Kalkar/Uedem am Niederrhein nach der Autorisierung durch den Inspekteur der Luftwaffe.

In Deutschland stehen zwei Alarmrotten für solche Starts bereit: in Bayern in Neuburg an der Donau sowie in Norddeutschland im ostfriesischen Wittmund. In beiden Stützpunkten werden jeweils zwei Eurofighter in ständiger Alarmbereitschaft gehalten. "Die starten bei Bedarf innerhalb weniger Minuten", erläutert der Sprecher.

In der Luft nähmen die Eurofighter-Piloten eine sogenannte Sichtidentifizierung vor. Sie fliegen dazu zunächst an den Fenstern der Passagierkabine vorbei und schauen dort hinein. Anschließend fliegen sie weiter vor zum Cockpit und versuchen aus nächster Nähe, Blickkontakt mit den Piloten aufzunehmen. Die Verständigung laufe über in der Fliegerei international gebräuchliche Zeichen wie das Flügelwackeln, aber auch über Handzeichen, sagt der Luftwaffensprecher. "Zur Not wird auch mal mit einem Edding auf ein Blatt Papier geschrieben und das dann ans Fenster gehalten."

Was dramatisch klingt, ist für die Piloten der Alarmrotte Routine: Sie rücken bei technischen Problemen in der Luft aus, und immer dann, wenn der Funkkontakt zu einem Passagierjet über längere Zeit abbricht wie bei der Maschine der Jet Airways. Das Abfangmanöver in der Luft dient auch dazu, einen möglichen Entführungsfall auszuschließen - fast immer jedoch steckt hinter dem abgebrochenen Funkkontakt ein Pilotenfehler oder ein technisches Problem.

Aber warum sieht und vor allem hört man Kampfjets immer wieder in der Region? Meist seien dies Übungsflüge, erläutert der Sprecher. So müssten die Piloten zum Beispiel Betankungen in der Luft oder Abfangmanöver üben. Auch flögen viele US-amerikanische und britische Militärmaschinen im deutschen Luftraum.

Viele Bürger regen sich vor allem über den Lärm auf, der dabei entsteht. Doch der ist kaum zu vermeiden: Die Kampfjets fliegen teils mit mehr als 1000 Stundenkilometern, bei etwa 1230 km/h durchbrechen die Maschinen die Schallmauer - es kommt zum sogenannten Überschallknall, und der lässt am Boden die Scheiben wackeln.

Doch was wäre, wenn eine Passagiermaschine entführt würde? Darf man ein von Terroristen gekapertes Flugzeug abschießen - und das Leben der Passagiere an Bord opfern, um weitere Tote zu vermeiden? Ein Szenario, das in Deutschland zuletzt nach dem TV-Kammerspiel "Terror" von Ferdinand von Schirach kontrovers diskutiert wurde.

Um den deutschen Luftraum besser gegen entführte Maschinen schützen zu können, hatte der Bundestag 2005 das Luftsicherheitsgesetz beschlossen. Es sah vor, im Notfall auch ein mit Passagieren besetztes Flugzeug abzuschießen, wenn es als Waffe benutzt werden soll. Das Bundesverfassungsgericht verwarf jedoch Anfang 2006 den Abschuss-Paragrafen als "mit dem Grundgesetz unvereinbar und nichtig". Aktuell kann der Inspekteur der Luftwaffe in so einem Fall nur den Start der Alarmrotte und das Abfangen des zu identifizierenden Flugzeuges autorisieren.

Alle weiteren Maßnahmen wie Warnschüsse, das Abdrängen oder Zwingen des Maschine zur Landung, müsste Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) mit den anderen Mitgliedern der Bundesregierung veranlassen. Maßnahmen zur Bekämpfung sind bei Anwesenheit von unbeteiligten Menschen - also unschuldigen Passagieren an Bord - jedoch ausgeschlossen. Der Abschuss einer Passagiermaschine ist nach derzeitiger Lage rechtlich umstritten.

(mit Material von dpa)

(oko)
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