Düsseldorf/Solingen Städte und Polizei fahnden verstärkt bei Facebook

Düsseldorf/Solingen · Bei der Suche nach Verkehrssündern durchkämmen immer mehr Städte in NRW die Benutzerprofile in sozialen Netzwerken im Internet. Die Stadt Düsseldorf hat allein im vergangenen Jahr in rund 5000 Fällen wegen Ordnungswidrigkeiten auf Facebook ermittelt.

 Viele Ordnungsämter in NRW suchen auf der Internetplattform Facebook nach mutmaßlichen Temposündern.

Viele Ordnungsämter in NRW suchen auf der Internetplattform Facebook nach mutmaßlichen Temposündern.

Foto: Hans-Jürgen Bauer

Facebook-Foto sah Blitzbild ähnlich

Seit Jahresbeginn hat Constanze G. (29) Schwierigkeiten mit der Justiz und der Stadt Düsseldorf. Der städtische Ordnungsdienst ist davon überzeugt, dass G. die Frau auf dem "Blitzer-Foto" sein muss, die im Januar auf einer Autobahn 111 statt der erlaubten 80 Stundenkilometer gefahren ist. Deswegen erhielt sie einen Bußgeldbescheid über 132 Euro und drei Punkte in der Verkehrssünderdatei in Flensburg, obwohl sie beteuerte, nicht die Frau auf dem Bild zu sein. Zwar waren die Ermittler zunächst über das Kennzeichen des geblitzten Wagens auf die Halterin des Autos gekommen, doch auch sie stritt ab, den Wagen gefahren zu haben. Über die Freunde der Frau und ihres Sohnes auf der Internetseite Facebook kamen die Ordnungshüter dann schließlich auf G. Sie sah der Frau auf dem Blitzerbild ähnlich. Das reichte aus.

Diese Vorgehensweise des Düsseldorfer Ordnungsamtes bei der Suche nach Temposündern ist kein Einzelfall. Das soziale Netzwerk Facebook ist für die Stadt Düsseldorf zum alltäglichen Ermittlungsinstrument geworden. Allein im vorigen Jahr hat die Stadt in rund 5000 Fällen bei Anzeigen zur Identitätsfeststellung zunächst im Internet recherchiert. "Wenn wir dort nicht weiterkommen, schicken wir Mitarbeiter des Ordnungsamtes zum Hausbesuch", bestätigt Sebastian Veelken, Vize-Chef des Ordnungsamtes.

Rückendeckung kommt vom Land

Zu dem Fall von G. kann Veelken keine Stellung beziehen, er weist aber darauf hin, dass die Recherchen im Internet in einem vertretbaren Rahmen durchgeführt werden. "Wir führen immer eine Prüfung der Verhältnismäßigkeit durch." In aller Regel werde im ersten Schritt der Betreffende selbst bei Google oder Facebook eingegeben. Wird man da nicht fündig, tippen die Fahnder die Namen von Kindern oder Eltern ein. Laut Veelken reicht dies meist aus, um die Übereinstimmung von Fotos mit der betreffenden Person herauszufinden. Mehrere hundert Fotos von Facebook-Freunden würden in aller Regel nicht durchgesehen.

Aber auch andere Städte in NRW greifen auf die Recherche im Internet zurück wie etwa Neuss und Solingen. "Das Internet gehört zu den öffentlich zugänglichen Quellen, die wir nutzen dürfen", sagt der Neusser Stadtsprecher Michael Kloppenburg. Die Stadt sei in der Beweispflicht. "Da gehen wir jedem Hinweis nach — auch im Netz."

Rückendeckung erhalten die Kommunen durch das Land. Die Datenschutzfrage müssen die Städte aber selbst klären. Der Kölner Verkehrsrechtler Benjamin Dahm hält die städtische Facebook-Suche für rechtens. Dennoch gebe es auch Grenzen, nämlich dann, wenn die Stadt versucht, auf ein geschlossenes, nicht öffentliches Profil zuzugreifen. "Wenn eine Freundschaftsanfrage etwa nur dem Zweck dient, verdeckt auf dem jeweiligen Profil zu ermitteln, hält das nicht vor einem Gericht stand."

Das Landeskriminalamt (LKA) in Düsseldorf nutzt die sozialen Netzwerke ebenfalls für die gezielte Fahndung. In einem formlosen Verfahren kann die Polizei zudem auch bei Facebook die Anmeldedaten bekommen. "Für Inhaltsdaten, also etwa Freundesliste und Kommunikation eines nicht öffentlich zugänglichen Facebook-Profils, brauchen wir aber einen richterlichen Beschluss", sagt Scheulen. Oder eine bestätigte Freundschaftsanfrage von einem unverfänglichen Benutzerprofil — denn die Polizei darf auch unter Pseudonym in die Netzwerke gehen. Nach geltendem Recht könne sich laut LKA schließlich niemand im Netz darauf verlassen, dass sein virtuelles Gegenüber tatsächlich der ist, für den er sich ausgibt. Es könnte also auch ein Fahnder sein. Anders als bei der Polizei ist die Internetsuche in den Ordnungsämtern relativ neu. "Aber die Suchmaschine Google setzen wir bereits seit einigen Jahren ein", sagt Veelken. "Darüber sind viele Gewerbetreibende auszumachen."

Nachdem die erste Verhandlung gegen Constanze G. ohne Ergebnis endete, erwägt sie nun selbst mit rechtlichem Beistand gegen die Behörde vorzugehen. Gutachter sollen indes klären, ob G. wirklich die Frau auf dem Blitzer-Foto ist, wie das Ordnungsamt annimmt.

(RP)
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