Prozess in Hamm Streit um Wisente — Gericht sieht "komplizierte Rechtslage"

Hamm · Im Rechtsstreit um die im Rothaargebirge freigelassenen Wisente ist eine schnelle Entscheidung nicht in Sicht. Es handele sich um "eine wirklich komplizierte Rechtslage". Von der Entscheidung hängt auch für den Trägerverein viel ab. Denn den Tieren droht der Abschuss.

 Der Streit um die Wisente beschäftigt weiter das OLG Hamm.

Der Streit um die Wisente beschäftigt weiter das OLG Hamm.

Foto: dpa, mb vbm

Es gehe um eine Rechtslage, bei der Zivilrecht und öffentliches Recht verwoben seien, sagte der Vorsitzende Richter des Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm am Donnerstag zu Prozessbeginn. In Hamm werden die Klagen von zwei Waldbauern aus dem Sauerland verhandelt. Sie wollen, dass die Wisente nicht mehr durch ihre Wälder streifen dürfen, weil sie die Rinden ihrer Buchen abschälen. Die beiden Vorinstanzen hatten den Waldbauern Recht gegeben. Dagegen hat der Trägerverein des Artenschutzprojekts Berufung eingelegt.

Das OLG muss klären, ob die Waldbesitzer möglicherweise im Rahmen der Sozialbindung des Eigentums die Schäden durch die Wisente zu dulden haben. Es geht dabei auch um die Frage, ob die Wisente wildlebende Tiere und damit herrenlos sind.

Das ist vor allem wichtig für die Zukunft der Wisente. Werden sie als herrenlos eingestuft, kann man sie aus den Wäldern nicht ohne weiteres "entfernen". Wird allerdings der Trägerverein als für die Tiere verantwortlicher Besitzer ausgemacht, müsste der Verein die Tiere eventuell umsiedeln. So zumindest will es Karl Schneider, Landrat des Hochsauerlandkreises. Denn im Mai war eine Frau aus Neuss von einem der Tiere leicht verletzt worden.

Schneider sieht eine akute "Gefährdungslage" und will, dass die Tiere verschwinden. Da das aber mit großen Kosten verbunden wäre, die der Verein nicht tragen könne, wie Michael Emmrich, Sprecher des zuständigen Trägervereins, sagt, könnte den Tieren der Abschuss drohen.

Die Wisent-Herde lebt seit mehr als drei Jahren im Rothaargebirge. Die Richter am Amts- und Landgericht sahen die Verantwortlichen für das Artenschutzprojekt, das europaweit beachtet und mit Mitteln von Bund und Land gefördert wird, als Besitzer der Tiere. Der Trägerverein müsse "mit geeigneten Maßnahmen" sicherstellen, dass die Wisente die Wälder der Kläger nicht betreten, meinten sie. Der Projektverein hingegen argumentiert, dass die Herde mittlerweile wild sei und der Schutz des Privateigentums hinter Artenschutz-Interessen zurückstehen müsse. Sollte das OLG dieser Argumentation letztlich nicht folgen, müssten die Wisente möglicherweise wieder eingefangen werden.

Vereinssprecher Emmerich hat den Prozess beobachtet. "Es freut uns, dass der Vorsitzende Richter sich sehr intensiv mit dem Thema beschäftigt und die arten- und naturschutzrechtlichen Aspekte sehr gewürdigt hat", sagt er. Er hoffe, dass der Prozess ein positives Ende nimmt.

(jeku/url/hsr/dpa)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort