NRW Islamist Marco G. jetzt im Hochsicherheitstrakt

Düsseldorf/ Bonn · Der unter Terrorverdacht stehende Marco G. sollte womöglich aus der Justizvollzugsanstalt Wuppertal befreit werden. In seiner Zelle fand man eine Stichwaffe. Er wurde aus Sicherheitsgründen in ein Gefängnis im Rheinland verlegt.

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Versuchter Bombenanschlag auf Bonner Hauptbahnhof

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Foto: dapd, Polizei

Der Plan könnte aus einem Hollywoodfilm stammen: Islamisten sollen vorgehabt haben, einen ihrer Sinnesgenossen aus der Justizvollzugsanstalt (JVA) in Wuppertal-Vohwinkel zu befreien. Polizei und Staatsanwaltschaft ermitteln offiziell wegen versuchter Befreiung eines mutmaßlichen islamistischen Terroristen. Konkrete Hinweise liegen aber angeblich nicht vor. Bei dem Mann handelt es sich um Marco G., einen zum Islam konvertierten Mann aus Oldenburg. Er soll, so lautet der Vorwurf der Bundesanwaltschaft, als Einzeltäter im Dezember 2012 im Bonner Hauptbahnhof eine blaue Tasche mit einer Bombe abgestellt haben. Der Sprengsatz detonierte wohl nur wegen eines Konstruktionsfehlers nicht.

Der 28-jährige steht seit mehr als einem Jahr in Düsseldorf vor dem Oberlandesgericht (OLG). Zunächst hatte man in seinem Haftraum im Gerichtsgebäude, wo er mehrfach übernachtet, verdächtige Gegenstände gefunden. Daraufhin hat man seine Zelle in Wuppertal durchsucht und sei dort ebenfalls fündig geworden. Beim Fund soll es sich um fünf Rasierklingen handeln, deren Stiele abgebrochen waren. Die Justiz ermittelt, wer ihm die Gegenstände hat zukommen lassen. Die Sicherheitsmaßnahmen rund um den Terrorprozess wurden umgehend verschärft und ein Verhandlungstag kurzfristig abgesagt. Marco G. verlegte man sofort in eine andere JVA im Rheinland, die ebenfalls über einen Hochsicherheitstrakt verfügt. Der Bonner "General-Anzeiger" hatte zuerst berichtet.

Nach Recherchen unserer Redaktion gehen die Sicherheitsbehörden nicht davon aus, dass Marco G. mit Waffengewalt direkt aus dem Gefängnis geholt, sondern — wenn überhaupt — vermutlich während eines Gefangenentransportes befreit werden sollte. "Auf dem Weg von der JVA zum Gerichtsgebäude gibt es kritische Punkte, wo das theoretisch möglich wäre", heißt es aus gut informierten Sicherheitskreisen. Es werde auch nicht ausgeschlossen, dass sich der Inhaftierte mit der Waffe selbst habe schwer verletzen wollen, um mit einem Rettungswagen in ein Krankenhaus gebracht zu werden.

Auf der Fahrt zur Klinik sei ein gezielter Angriff am einfachsten, heißt es. Wenn es um Leben und Tod gehe, so ein Insider, bliebe bei Krankenfahrten in der Regel keine Zeit, auf die Polizeieskorte zu warten. Im Krankenwagen werde der Häftling während der Fahrt dann nur von einem unbewaffneten JVA-Bediensteten bewacht. Ein Fahrzeug mit zwei Gefängnisaufsehern fahre hinterher — allerdings ohne Blaulicht. Denn dafür fehlt den Strafvollzugsbediensteten die nötige Sonderverordnung. Das bedeutet, dass sie dem Krankenwagen im Ernstfall nicht immer folgen können, weil sie etwa nicht über eine rote Ampel fahren dürfen. "In diesen Momenten ist der Gefangene so gut wie gar nicht bewacht", so der Insider. Die Sicherheitsbehörden sind sich dieser Gefahr bewusst. G. soll nun offenbar immer mit einem Hubschrauber zum Gericht geflogen und das Gebäude von Scharfschützen vor möglichen Angreifern bewacht werden.

Gefangentransporte finden in NRW täglich sehr oft statt. Die Polizei erstellt vor solchen Fahrten eine Gefahrenanalyse. Je nach Gefährdungsstufe wird der Häftling dann von der Polizei eskortiert oder nicht. In den Gefängnissen bekommen die JVA-Mitarbeiter bei entsprechenden Anfragen nach Informationen unserer Redaktion aber immer häufiger von der Polizei zu hören, dass man dafür derzeit wegen Personalmangels keine Kräfte habe.

In den Gefängnissen in NRW befinden sich rund 50 Islamisten, darunter 17, die aus Bürgerkriegsgebieten in Syrien und dem Irak zurückgekehrt sind. Letztere werden nach ihrer Festnahme sofort in Untersuchungshaft gesteckt — ein Risiko für die JVA-Bediensteten. "Wir wissen nicht, wie die ticken, wozu die bereit sind", sagt Peter Brock, Vorsitzender des Bundes der Justizvollzugsbeamten (BSBD). "Sie sind kampferprobt, wissen, wie man mit Waffen umgehen. Respekt vor unserer weiblichen Mitarbeitern kennen die nicht." Die Situation sei brenzlig. Auch die Attentäter des Anschlags auf die Redaktion der französischen Satire- Zeitschrift "Charlie Hebdo" im Januar in Paris hatten sich im Gefängnis radikalisiert.

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