Sturm-Chaos "Niklas" wirbelt NRW auf — Zugverkehr rollt wieder an

Düsseldorf · So schlimm hatte es kaum jemand erwartet: Sturmtief "Niklas" hat in NRW am Dienstag den Zugverkehr weitgehend lahmgelegt. Auch Polizei und Feuerwehr waren im Dauer-Einsatz: Dächer wurden abgedeckt, Bäume und Laster stürzten um. In Deutschland kamen drei Menschen ums Leben.

Düsseldorf/ Neuss: Lastwagen-Anhänger drohte umzukippen
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"Niklas" sollte starken Wind bringen, viel Regen war vorhergesagt, ein ungemütlicher und turbulenter Tag sollte es werden. Dass "Niklas" die Bahn am Dienstag in ein heilloses Chaos stürzen und den Nahverkehr im ganzen Pendlerland NRW blockieren würde, damit hatten wohl die wenigsten gerechnet. Unseren Live-Blog zum Sturm-Chaos in NRW gibt es hier zum Nachlesen.

Bis zum frühen Abend kamen in der Bundesrepublik drei Menschen ums Leben. In Rheinland-Pfalz erschlug ein umgestürzter Baum zwei Menschen. Wie die Polizei mitteilte, fiel der Baum bei Montabaur im Westerwald auf ein Dienstfahrzeug der Straßenmeisterei. Rettungskräfte konnten die beiden Männer nur noch tot aus dem Wrack auf einer Landstraße bergen. In Sachsen-Anhalt starb nach Behördenangaben ein Mann, als ihn eine umstürzende Betonmauer begrub. Im österreichischen Mauthausen starb ein Mann, der während des Sturms seine Terrassenüberdachung sichern wollte.

Sturm Niklas sorgt für Schäden in NRW
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Sturmtief "Niklas" fegt über NRW

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In NRW strandeten Zehntausende an den Bahnhöfen, mussten ausweichen auf Taxis, Mitfahrgelegenheiten oder eine Übernachtung im Hotel. Bei Feuerwehr und Polizei gingen die Notrufe im Minutentakt ein, es wurden Hallendächer abgedeckt und Dachziegel heruntergeweht, Autobahnen wurden teilweise gesperrt und mehrere Menschen schwer verletzt. Bäume stürzten ebenso um wie Strommasten, Dixi-Klos und Bauzäune machten sich selbstständig.

Um 11.00 Uhr kapitulierte die Deutsche Bahn vor der gewaltigen Kraft des Unwetters. Der gesamte Nahverkehr wurde eingestellt - für den Rest des Tages, wie es zunächst hieß. Ab dem frühen Dienstagabend rollte der Nahverkehr nach und nach wieder an. Das teilte eine Sprecherin in Düsseldorf mit. Wegen der nach wie vor heftigen Windböen dürften die Regionalzüge aber nur mit einer Höchstgeschwindigkeit von 100 Stundenkilometern fahren. Auch im Fernverkehr würden alle Bahnhöfe in Nordrhein-Westfalen wieder angefahren. Auf allen Strecken sei aber noch mit Verspätungen und Zugausfällen zu rechnen.

Die Bahn hatte wegen des Sturmtiefs "Niklas" den gesamten Nahverkehr in Nordrhein-Westfalen am Dienstagvormittag eingestellt. Im Fernverkehr fielen zahlreiche Züge aus oder hatten stundenlange Verspätungen. Die vielbefahrene Strecke von Dortmund durch das Ruhrgebiet nach Düsseldorf und Köln war komplett gesperrt.

An vielen Bahnhöfen ging am Dienstag so gut wie nichts mehr. Ein Reisender saß 45 Minuten am Düsseldorfer Hauptbahnhof in einem ICE nach Münster. "Erst hieß es immer wieder, wir hätten nur ein paar Minuten Verspätung", erzählte er. Dann fiel die Fahrt schließlich ganz aus. Eine andere Reisende wollte eigentlich ihre Tochter in Berlin besuchen, strandete aber in Düsseldorf. Sie ließ kein gutes Haar an der Informationspolitik der Bahn: "Es hieß, wir kommen von Dortmund aus weiter." Im Auto auf dem Weg dorthin war, erfuhr sie aus dem Radio, dass in ganz NRW kein Zug mehr rollt.

Sturmeinsätze in Grevenbroich
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Sturmeinsätze in Grevenbroich

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Ersatzverbindungen mit Bussen zu organisieren sei wegen die Vielzahl der Zugausfälle "schier unmöglich", sagte die Bahnsprecherin. "So viele Busse hat niemand auf dem Hof." Das Ruhrgebiet war vom Bahnverkehr weitgehend abgeschnitten. Der Fernverkehr von Dortmund über Essen und Düsseldorf nach Köln war komplett gestört.

Auch außerhalb von NRW saßen viele Zugreisende an den Bahnhöfen fest. Die Deutsche Bahn hatte in den Bahnhöfen Hannover und Bremen Züge zum Aufenthalt für gestrandete Fahrgäste bereitgestellt. Wie eine Bahn-Sprecherin am Dienstagabend mitteilte, können die Passagiere in den Zügen auch übernachten. Die Fahrgäste werden dabei von Angestellten der Deutschen Bahn betreut.

Die Reparatur beschädigter Oberleitungen sei erst möglich, wenn der Sturm nachgelassen habe, sagte ein Bahnsprecher in Berlin. Der Deutsche Wetterdienst erwartete zunächst keine durchgreifende Wetterbesserung. "Wir müssen mit der Windstärke 9 bis heute Abend leben", sagte Meteorologin Ines Wiegand. "Niklas" war von Westen durch das Land gezogen. Auf dem Kahlen Asten wurde eine Windgeschwindigkeit von knapp 116 Stundenkilometern gemessen. "Das ist eine gute Windstärke 11."

Auch auf den Straßen hinterließ "Niklas" Spuren: Bei Hagen riss der Sturm ein Baugerüst von der Lennetalbrücke (A45) ab. Zwei Arbeiter, die in 20 Metern Höhe mit Schweißarbeiten beschäftigt waren, stürzten in die Tiefe und verletzten sich schwer. In Unna begrub eine umstürzende Kastanie einen Rollerfahrer unter sich, der 51-Jährige wurde ebenfalls schwer verletzt. Auf der Autobahn 30 bei Löhne in Ostwestfalen erlitten zwei Männer bei einem Unfall auf nasser Fahrbahn schwere Verletzungen. In Altenberge (Kries Steinfurt) und mehreren anderen Kommunen hielt ein Strommast dem Sturm nicht stand.

Probleme gab es auch für den Luftverkehr. Am Flughafen Düsseldorf entschlossen sich einige Piloten angesichts der Windböen, durchzustarten und für die Landung neu anzufliegen. Dies sowie das Umfliegen von Schlechtwetterzonen führte zu einigen Verspätungen, aber Flugausfälle habe es nicht gegeben, sagte ein Sprecher des drittgrößten deutschen Flughafens am frühen Nachmittag. In Köln/Bonn konnte eine Maschine nicht landen und wurde umgeleitet.

Die Stadt Duisburg gab ihren Mitarbeitern sturmbedingt vorzeitig freigegeben. Alle Beschäftigte konnten ab 15 Uhr ihre Arbeitsplätze verlassen, um ohne weitere Gefahr nach Hause zu kommen. In Wuppertal und Dortmund blieben die Zoos geschlossen. In Köln waren Teile der Domplatte zeitweise gesperrt.

(lnw)
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