JVA Aachen Superstars im Knast - Kultur hinter Gittern

Aachen · Strahlende Gesichter, stolze Mienen, Jubel und Begeisterung - willkommen im Knast! Die ungewöhnliche Stimmung hinter Gefängnismauern in Aachen ist neun Häftlingen zu verdanken. Sie geben KSDS zum besten - "Knast Sucht Den Superstar".

DSDS im Knast: Kultur von Häftlingen
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DSDS im Knast: Kultur von Häftlingen

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Die Männer, die einmal Banken überfallen, mit Drogen gehandelt, gestohlen oder zugeschlagen haben, rappen, singen, tanzen in der JVA vor Publikum. Eine witzige, freche, manchmal auch traurige und insgesamt tolle Show. Und ein Vorzeigebeispiel für Kunst hinter Gittern. In vielen Justizvollzugsanstalten bundesweit gehört kulturelle Betätigung der Häftlinge inzwischen zum Standard.

In der Mehrzweckhalle der JVA Aachen geben die Jungs auf der Bühne alles. Sie schlüpfen in verschiedene Rollen - mal als Finalisten, mal als Juroren Dieter, Bill oder Tom. Yasen N. aus Bulgarien überrascht als virtuoser Klavierspieler. "Musik gibt mir die Kraft, den alltäglichen Irrsinn hier drinnen und auch draußen zu ertragen." Tuana M. aus dem Irak, lila Glitzersakko, intoniert mit voller Stimme ein melancholisches Liedchen. Viel Musik, gute Gags, aber auch nachdenkliche Momente gibt es.

David G. bereut nach eigener Aussage seine braune Schlägervergangenheit. "Ich bin jetzt ein anderer. Ein Mensch", versichert der bullige Häftling im Muskelshirt und mit Hakenkreuz-Tattoo. Und stimmt ein Liebeslied an. Es geht um Sehnsucht, ums Träumen - und um die quälende Frage: "Hat Gott auf mich geschissen?"

Auch Dady I. aus dem Kongo rührt die Zuschauer, als er inmitten von guter Laune Gefühle preis gibt: Er vermisst seine Kinder schmerzlich. Angeblich ist er auf Montage, die Wahrheit will er ihnen nicht sagen.
"Ich schäme mich." Für die Show, die im Oktober viermal unter den Augen von Sicherheitsleuten gezeigt wird, haben die Gefangenen 17 Monate geprobt.

In vielen der 186 Vollzugsanstalten mit rund 65 710 Inhaftierten hierzulande wird laut Bundesjustizministerium eine kulturelle Freizeitbeschäftigung angeboten. Das können Theater-AGs sein, Chöre, Tanz, Musicals, Trommel-Workshops, Lesungen, Film- oder Foto-Projekte. Kulturelle Betätigung diene der Resozialisierung. Die Vollzugsgestaltung soll grundsätzlich an die Lebensverhältnisse außerhalb der Gefängnismauern angepasst sein, heißt es in Berlin.

Für den Strafvollzug - und damit auch Kulturprojekte hinter Gittern - sind grundsätzlich die Länder zuständig. Nordrhein-Westfalen fördert viele Projekte in seinen 37 Gefängnissen. Oft kommt Unterstützung von Externen. Bei KSDS sind das Theater Aachen und Regisseurin Ewa Teilmans engagiert. In der JVA Schwerte hat der Musiker Peter Bursch - wegen seiner millionenfach verkauften Lehrbücher auch als "Gitarrenlehrer der Nation" bekannt - einen Gitarren-Workshop gestartet. Mit gespendeten Instrumenten.

Es gibt viele Argumente für Kunst und Kultur im Knast: Sinnvolle Freizeitbeschäftigung. Soziale Kompetenz wird vermittelt. Rollen- und Perspektivwechsel fördern auch das Einfühlungsvermögen, wie ein Sprecher des Düsseldorfer Justizministeriums erläutert. Beispiel: Ein früheres Mitglied der Hells Angels verwandelt sich auf einer JVA-Bühne in eine sensible junge Dame. Stärken sollen gefördert, Fähigkeiten geweckt werden. Erfolgserlebnisse könnten helfen, "vormals destruktive Impulse" in den Griff zu kriegen.

Und oft heißt die Herausforderung auch schlicht: Ausdauer beweisen, dran bleiben. Es war schwierig, "viele unserer Männer so lange bei der Stange zu halten", sagt die Aachener JVA-Leiterin Reina Blikslager. Gelohnt habe sich das fast anderthalbjährige Proben definitiv. Die Inhaftierten reifen, setzen sich mit ihren Problemen auseinander, weiß Blikslager. Es bewirkt aber auch etwas bei den Zuschauern von draußen: Respekt vor dem Mut der Häftlinge, sich mit ihren Makeln ins Rampenlicht zu wagen. Und Freude über ihren erfolgreichen Coup hinter Gefängnismauern.

(lnw)
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