Braunkohletagebau Garzweiler II Ein nutzloser Sieg vor Gericht

Immerath/Karlsruhe · Das Bundesverfassungsgericht lässt den Braunkohletagebau bis 2045 zu. Das Urteil ist eine Niederlage für einen Eigentümer, ein nutzloser Sieg für den BUND, kein Gewinn für RWE – und eine politische Hypothek für Rot-Grün.

Bundesverfassungsgericht billigt Tagebau Garzweiler
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Das Bundesverfassungsgericht lässt den Braunkohletagebau bis 2045 zu. Das Urteil ist eine Niederlage für einen Eigentümer, ein nutzloser Sieg für den BUND, kein Gewinn für RWE — und eine politische Hypothek für Rot-Grün.

Das war's. Mit fünf zu drei Stimmen hat der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts den 13 Jahre währenden Kampf des Erkelenzers Stephan Pütz um sein Haus beendet. Er darf enteignet, das Haus abgerissen werden wie der ganze Ortsteil Immerath, der 2017 in den riesigen Schaufelrädern der Braunkohlebagger verschwinden wird. Für den Erkelenzer Bürgermeister Peter Jansen (CDU) ist das Urteil trotzdem nicht nur ein moralischer, sondern auch ein inhaltlicher Teilerfolg: "Es ist gar nicht hoch genug einzuschätzen, was Stephan Pütz und der BUND erreicht haben", so Jansen.

40 von den 48 Quadratkilometern Tagebaufläche, die der Braunkohleabbau Garzweiler II bis 2045 verschlingen wird, liegen auf dem Gebiet der Stadt Erkelenz. Rechnerisch ist jeder achte Einwohner der 42.000-Einwohner-Stadt vom Tagebau und den Umsiedlungen betroffen. Während in Immerath nur noch knapp drei Dutzend Einwohner in den Resten eines Dorfes mit einst 1400 Bewohnern ausharren, laufen bei RWE bereits die Vorbereitungen für die nächsten Enteignungen und Umsiedlungen an: Die Dörfer Beverath, Keyenberg, Kuckum, Oberwestrich und Unterwestrich sind ab 2016 dran.

Eigentümer hoffte auf anderes Urteil

Oder doch nicht? Nachdem es im Sommer Spekulationen gab, RWE selbst könne das Interesse am Braunkohletagebau verlieren, stoppte die Stadt Erkelenz vorübergehend die Arbeit an den Umsiedlungsplänen. Stephan Pütz und der BUND hätten sich sicher ein anderes Urteil erhofft, so Bürgermeister Jansen, aber sie hätten "einen politischen Denkprozess angestoßen, dass es beim Bewilligungsprozess für einen Tagebau nicht mehr nach altem Schema weitergeht". Dem moralischen Erfolg, da kann sich Jansen sicher sein, wird auf jeden Fall ein politischer Streit folgen. Denn die rot-grüne Landesregierung muss im kommenden Frühjahr Farbe bekennen, wenn es um die nächsten Umsiedlungen geht.

Die einfache Frage lautet: Hält die Landesregierung den Tagebau Garzweiler II energiepolitisch weiterhin für unverzichtbar und notwendig — oder vielleicht doch nicht? NRW-Umweltminister Johannes Remmel (Grüne) ließ gestern mitteilen, für die Bürger in den betroffenen Gebieten habe das Urteil "nicht den erhofften Ausgang genommen. Das bedauere ich."

"Bitter für die betroffenen Menschen"

Die Entscheidung sei "bitter für die betroffenen Menschen", so Remmel, und: "In Zeiten des Klimaschutzes und der Energiewende gehen alle Energiekonzepte in der Bundesrepublik davon aus, dass sich die Verstromung der klimaschädlichen Braunkohle bis 2030 halbieren wird. Das bedeutet auch, dass wir uns darüber Gedanken machen müssen, ob die Planungen der Vergangenheit, die teilweise 20 bis 30 Jahre alt sind, noch aktuell sind." Oliver Krischer, Bundestagsabgeordneter der Grünen aus Düren, forderte die rot-grüne Landesregierung gestern auf, sämtliche Planungsverfahren auf den Prüfstand zu stellen und Umsiedlungsprojekte zu stoppen.

Dagegen erklärte NRW-Wirtschaftsminister Garrelt Duin (SPD), das Verfassungsgericht habe Klarheit und Rechtssicherheit geschaffen. Der Tagebau sei "für das Erreichen des Gemeinwohlzieles der sicheren Stromversorgung erforderlich". Ähnlich äußerte sich auch Thomas Kufen, CDU-Energieexperte im Landtag: "Solange wir erneuerbare Energien nicht im notwendigen Maße speichern können, sind auf absehbare Zeit konventionelle Kraftwerke unverzichtbar", sagte der Unions-Politiker: "Das schließt die Braunkohle mit ein."

Urteil stärkt Rechte Betroffener

RWE begrüßte das Urteil vergleichsweise wortkarg. Das Urteil stärkt die Rechte Betroffener bei neuen Vorhaben: Anwohner müssten künftig bereits gegen die behördliche Zulassung des Vorhabens vorgehen können. Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) feierte gestern einen nutzlosen Sieg: Das Gericht stellte fest, dass die Enteignung einer Obstwiese des BUND verfassungswidrig war. Da die Wiese bereits weggebaggert ist, bleibt die Feststellung jedoch folgenlos.

Stephan Pütz zeigte sich enttäuscht. "Ich hatte mir das ganz anders vorgestellt. Ich hatte gedacht, dass die Betroffenheit der Menschen mehr Beachtung finden würde." Der 50-jährige Polizist, der für die Grünen im Erkelenzer Stadtrat sitzt, verliert zum zweiten Mal seine Heimat. Otzenrath, wo er aufwuchs, ist bereits weggebaggert. Wie 13 andere Dörfer auch.

(RP)
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