Bonn Todesfahrt gegen Baum - Prozess gegen 85-Jährigen

Bonn · Weil er sich nicht länger um seine pflegebedürftige Frau kümmern konnte, ist ein 85 Jahre alter Mann mit ihr absichtlich gegen einen Baum gefahren. Während er überlebte, erlag seine Frau ihren Verletzungen. Seit Dienstag muss sich der Rentner nun vor dem Landgericht Bonn wegen heimtückischen Mordes verantworten.

"Ich hatte meiner Frau versprochen, sie niemals alleine zu lassen." Dieses Versprechen glaubte ein Rentner nicht mehr einhalten zu können, als sich seine Gesundheit verschlechterte. Und entschied sich für eine Suizidfahrt.

Am Sonntagmorgen, 9. November 2014, hatte der Angeklagte seine Frau nach dem gemeinsamen Frühstück zu einem Besuch bei der Tochter überredet. Dort aber kamen sie nie an. Stattdessen fuhr er auf der B56 im Bonner Stadtgebiet wiederholt die schnurgerade Straße rauf und runter, bis er kein anderes Auto gefährden konnte, gab Gas und fuhr mit 75 Kilometer pro Stunde gegen eine Birke. Die 81-Jährige starb zwei Tage später im Krankenhaus. Der Angeklagte überlebte, musste aber wegen Suizidgefahr in der Landesklinik aufgenommen werden.

Die Frau, mit der er 60 Jahre verheiratet war, war seit Jahren ein Pflegefall: Blutarmut, Schilddrüsen-OP und schließlich auch Wirbelbrüche, nach der letzten OP im Sommer 2013 wurde sie rapide dement und hatte Angstzustände. In den Tagen vor der Suizidfahrt hatte auch der herzkranke Angeklagte zunehmende körperliche Probleme - eine Augen- und eine Aorta-Operation standen an: "Ich hatte Angst, vollständig zu erblinden und ebenfalls dement zu werden - und meine geliebte Frau nicht mehr pflegen zu können."

In der Nacht zuvor fasste er den einsamen Entschluss, ihr Leben gemeinsam zu beenden: "Ich hatte meiner Frau versprochen, sie niemals alleine zu lassen. Dieses Versprechen wollte ich halten." In der Nacht habe er nicht geschlafen und ihre Papiere für die beiden Kinder geordnet, die von seinem Plan keine Ahnung hatten. Der gemeinsame Tod schien ihm damals die einzige Lösung. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, die 81-jährige Ehefrau nicht in den Suizidplan eingeweiht und damit ihre Arg- und Wehrlosigkeit ausgenutzt zu haben.

"Die Geschichte raubt mir heute den Schlaf", erzählte der alte Mann unter Tränen. "Ich muss allerdings sagen, es wäre auch ihr Wunsch gewesen, dass wir gemeinsam sterben. Dennoch weiß ich, dass ich große Schuld auf mich geladen habe."

Der 60-jährige Sohn bestätigte als Zeuge, dass der Vater sich jahrelang aufopferungsvoll um seine Frau gekümmert habe - und dass das Paar bis zum letzten Tag unzertrennlich gewesen sei. In welcher Not sein Vater gewesen sei, das habe er nicht geahnt.

(lnw)
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