Baumbestattungen in NRW "Ich hab den Uropa im Garten"

Düsseldorf · In Deutschland wollen immer mehr Hinterbliebene ihre Angehörigen im eigenen Garten beerdigen. Doch das ist hierzulande eigentlich verboten. Die Baumbestattung ist eine rechtliche Grauzone.

 Ein Baum als Zeichen für das ewige Leben: Immer mehr Angehörige möchten ihre Verstorbenen im Garten beisetzen.

Ein Baum als Zeichen für das ewige Leben: Immer mehr Angehörige möchten ihre Verstorbenen im Garten beisetzen.

Foto: shutterstock.com

Ein Leben nach dem Tod ist für viele Sterbliche eine erlösende Vorstellung. Auch wenn ihre Zeit auf Erden begrenzt ist - die Idee eines Fortlebens im Jenseits ist auch für viele Hinterbliebene ein Trost. Eine neue Idee der Bestattungsbranche setzt nun auf diese christliche Vorstellung noch einen drauf: Sie soll garantieren, dass eine Art Leben nach dem Tod gleich hier auf Erden stattfindet - als Bäumchen im Garten seiner Lieben nämlich.

Unter der Marke "Tree of Life" ist es möglich, die Asche von Verstorbenen in die Niederlande zu überführen und sie dort mit Erde vermengen zu lassen. In das Erde-Asche-Gemisch wird dann ein Baumsetzling gegeben, der nach einem halben bis dreiviertel Jahr ausgepflanzt werden kann. Auf diese Weise kann ein Verstorbener im Garten seiner Angehörigen die letzte Ruhe finden.

Mittlerweile gibt es immer mehr Bestatter in NRW, die die Baumbestattung in ihr Angebot aufgenommen haben. Darunter ist auch Maik Gockel aus dem Kreis Wesel. Er leitet zusammen mit seinem Bruder und seinem Vater das Bestattungsunternehmen Gockel in Voerde. Seit dem 1. Januar 2016 gehört er zu den elf Bestattern in NRW, die mit "Tree of Life" kooperieren, einem Unternehmen aus Seehausen in Sachsen-Anhalt, das sich die Baumbestattung hat patentieren lassen. Die Firma fungiert für Bestatter als Dienstleister. "'Tree of Life" kümmert sich um die Überführung in die Niederlande", erklärt Gockel. Das Unternehmen arbeitet dort mit Baumschulen zusammen, die die Asche mit Erde vermischen und dann den Setzling einpflanzen.

Dass Angehörige ihre Verstorbenen im Garten beisetzen, ist in NRW und auch in den meisten anderen Bundesländern verboten. "Eigentlich ist es so nicht möglich", sagt Gockel. "Wir Deutschen sind da nicht so aufgeschlossen wie andere Länder."

Denn in NRW gelten Beisetzungs- und Friedhofszwang. Das bedeutet, dass jeder Leichnam beigesetzt werden muss. Und zwar in der Regel auf einem Friedhof. Das erklärt Christian Jäger, Geschäftsführer des nordrhein-westfälischen Bestatterverbandes. Auch bei der Einäscherung — der mittlerweile vorherrschenden Bestattungsart — gilt das gleiche wie für den Leichnam.

"Für Totenasche sieht das Gesetz auch Ausnahmen von der klassischen Beisetzung vor, wie etwa die Seebestattung", sagt Jäger vom Bestattungsverband. Grundsätzlich gilt: Sechs Wochen nach der Einäscherung muss die Urne beigesetzt werden, so steht es im Landesbestattungsgesetz. Die Krematorien in Nordrhein-Westfalen verlangen nach der Einäscherung eine Bescheinigung über die Beisetzung. "In der Regel schicken die Friedhöfe die Bescheinigung ans Krematorium", erklärt Jäger. Die Baumbestattung ist nach dieser Gesetzeslogik verboten, meint der Geschäftsführer des Bestattungsverbandes. Zumindest sei dies eine rechtliche Grauzone.

"Tree of Life" löst das Problem auf folgende Weise: In den Niederlanden gilt die Vermischung von Totenasche und Pflanzerde mit den Baumsamen als Beisetzung. "Der Vorgang wird notariell beglaubigt und für die Angehörigen auch bildlich dokumentiert", sagt Bestatter Maik Gockel aus Wesel. Die Beglaubigung wird dann nach Deutschland geschickt. Und die Angehörigen erhalten später eine Pflanzurkunde. Von der Pflanzperiode hänge es ab, wann der Baum im Garten gesetzt werden könne. Pflanzzeiten seien im Herbst und im Frühjahr.

Oft hat schon bei der Einäscherung eine Trauerfeier stattgefunden. "Entweder verabschieden sich die Angehörigen am offenen Sarg vor der Kremierung, oder es gibt danach eine Urnen-Trauerfeier", erklärt Gockel. Wenn der Baum eingepflanzt wird, gibt es nochmal eine kleine Zeremonie.

Der Preis für eine Baumbestattung ist im Vergleich zu einer traditionellen Erdbestattung nicht unbedingt günstiger, sagt Gockel. Aber das hänge von den Wünschen des Kunden und von der Kommune ab. Auch "Tree of Life" bleibt vage. Eine Baumbestattung sei preislich in etwa mit einer Urnenbeisetzung zu vergleichen.

Der Hauptgrund, warum sich Hinterbliebene für eine Baumbestattung entscheiden, sei der Wunsch, den Angehörigen bei sich zu haben. "Viele möchten nicht mehr auf den Friedhof gehen, um zu trauern", sagt Gockel.

In einem seiner letzten Fälle, habe die verstorbene Mutter seiner Kunden gerne unter den Bäumen in deren Garten gesessen, erzählt er. Das sei dann für die Familie ein schöner Ort der Erinnerung geworden. "Viele wissen gar nicht, dass es diese Möglichkeit gibt."

Doch weder beim Bistum Münster noch beim Bestatterverband NRW ist man von der Baumbestattung überzeugt. "Trauer ist eine öffentliche Angelegenheit und soll daher auch an einem Ort passieren, der für jedermann zugänglich ist", sagt der Geschäftsführer des Bestattungsverbands. Das Bistum Münster, zu dem das Kreisdekanat Wesel gehört, sehe das ebenfalls kritisch. "Christen glauben, dass nicht der Mensch selbst für ein Weiterleben nach dem Tod sorgen kann. Das kann nur Gott." Das ewige Leben bedeute nicht, dass der Mensch als Baum in den Kreislauf der Natur eingehe.

Die Pfarrer, mit denen Gockel bei den Trauerfeiern zu tun hat, reagieren unterschiedlich. Einige seien eher zurückhaltend. "Aber wenn sie das Endergebnis sehen, können sich die meisten damit anfreunden." Der Baum sei etwas besonderes, etwas für die Ewigkeit. "Da können selbst die nachfolgenden Generationen noch sagen: 'Ich hab' den Uropa im Garten'."

(heif)
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