Mehr als 25.000 Verstöße in der Region Umwelt-Plaketten werden kaum kontrolliert

Düsseldorf · Ab dem morgigen Dienstag dürfen Autos nur noch mit der grünen Plakette in die Umweltzonen fahren. Sonst droht eine Geldbuße. Doch einer Studie zufolge kontrollieren die meisten NRW-Städte Umweltsünder gar nicht oder nur unzureichend.

Wenn Patricia Kaiser (Name geändert) auf Streife durch die Essener Innenstadt geht, achtet sie nur beiläufig auf die grünen, gelben und roten Plaketten, die an den Windschutzscheiben der Autos kleben. "Meine Hauptaufgabe ist es, Falschparker aufzuschreiben", sagt die Politesse. "Bei Umweltsündern schaue ich nicht so genau hin."

Würde sie das tun, käme auf sie und ihre Kollegen ab morgen wohl viel Arbeit zu. Denn dann dürfen bis auf wenige Ausnahmen nur noch Fahrzeuge mit grünen Plaketten in die Umweltzonen fahren. Das gilt für Köln, Bonn, Dortmund, Düsseldorf, Hagen, Langenfeld, Mönchengladbach, Neuss, Remscheid und Wuppertal. Hinzu kommen Krefeld (bereits seit 2012) und die Umweltzone Ruhrgebiet, die aus zwölf Städten besteht - dazu zählen unter anderem Duisburg und Essen. Münster plant die Verschärfung ab 2015. Autofahrer, die dort noch mit einer gelben oder gar roten Plakette erwischt werden, müssen 80 Euro Bußgeld zahlen - vorher waren es 40 Euro, dafür entfällt nun aber der Punkt in der Verkehrssünderdatei in Flensburg.

Doch Geldbußen müssen einer Untersuchung zufolge nur die wenigsten Umweltsünder fürchten. Laut der Deutschen Umwelthilfe (DUH) finden in 21 der 25 bestehenden Umweltzonen nur unzureichende oder gar keine städtischen Kontrollen statt. "Das ist ein Skandal", sagt Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der DUH. Für ihn sei es unverständlich, dass sechs Jahre nach Einführung der ersten Umweltzonen in Deutschland immer noch viele Bürgermeister "ein Herz für Dieselstinker haben".

Einigen Kommunen fehlt es offenbar an Personal, um wirksam kontrollieren zu können. Ein Verkehrsdezernent einer NRW-Großstadt erklärt: "Die Politessen haben schon genug damit zu tun, die Parksünder aufzuschreiben." Die Stadt Remscheid räumt ganz offen ein, dass es keine gezielten Kontrollen oder Schwerpunktaktionen gäbe. In Duisburg wird in den ersten beiden Juli-Wochen nach der Gesetzesverschärfung überhaupt nicht kontrolliert. Die Begründung der Stadt lautet: In dieser Zeit werden die 180 Hinweisschilder auf die Umweltzonen erneuert.

Diese Ausnahmen gelten für gelbe Plaketten
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Foto: Andreas Bretz

Laut Gesetz dürfen die Städte nur parkende Autos aufschreiben. Für den fließenden Straßenverkehr ist die Polizei zuständig. Aber auch dort, sagt ein Polizist, habe man anderes zu tun, als Ausschau nach Umweltsündern zu halten. "Jedoch wenn uns mal einer auffällt, ahnden wir das natürlich auch." Dabei handele es sich meistens aber um Lastwagen.

Die Umweltzonen wurden 2008 eingeführt, um die hohen Belastungen durch Feinstaub und Stickstoffdioxid für die Bevölkerung zu reduzieren. Doch die Wirksamkeit dieser Maßnahme ist bis heute umstritten. Kritiker führen gerne das Beispiel "Umweltzone Ruhrgebiet" an, die es seit 2012 gibt. Dort werden an stark befahrenen Straßen nach wie vor regelmäßig die Grenzwerte für Stickstoffdioxide und Feinstaub deutlich überschritten. An einer Straße in Gelsenkirchen wurden in diesem Jahr bereits an mehr als 50 Tagen Feinstaubwerte über 50 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft gemessen. Die EU erlaubt jedoch nur eine Überschreitung an höchstens 35 Tagen. Die Universität Köln kam in einer Studie zu dem Ergebnis, dass sich die Feinstaubbelastung in den Umweltzonen durchschnittlich nur um weniger als ein Prozent verbessert habe - zu wenig, um den Aufwand zu rechtfertigen. Befürworter der Umweltplakette erkennen dieses Forschungsergebnis jedoch nicht an, weil die Studie im Auftrag der Autoindustrie durchgeführt worden sei.

Zehn Fakten: Was Sie über Umweltzonen wissen sollten
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Foto: AP, AP

Aus Sicht des Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz, kurz Lanuv, sind die Plaketten auf jeden Fall sinnvoll. "Die Luftqualität hat sich in den Städten, die eine Umweltzone haben, insgesamt deutlich verbessert", sagt Sprecherin Birgit Kaiser de Garcia.

Die Plaketten-Pflicht gilt nur für den Straßenverkehr innerorts. Autobahnen sind von der Pflicht ausgeschlossen. Ebenso unberührt von dem Gesetz ist der Schiffsverkehr. Nach Meinung des Lanuv sollte sich das allerdings dringend ändern. "Der Rhein gleicht einem sehr stark befahrenen Autobahnabschnitt", betont de Garcia. Doch Land und Kommunen können keine Umweltrichtlinien für den Schiffsverkehr auf ihren Wasserstraßen erlassen. Dafür ist die Europäische Union zuständig. In Brüssel schiebt man das Thema seit längerer Zeit vor sich her. "Dort gibt es bislang nur Diskussionen darüber", betont Kaiser de Garcia.

Städte, die wie Duisburg an Rhein und Ruhr liegen, sind besonders betroffen - und müssen sich selbst helfen. So bieten etwa die Häfen in Köln und Duisburg für die Schiffe Landstromversorgungen an, wenn sie vor Anker liegen, damit die Dieselmotoren ausgestellt werden können. Das sei ein Schritt in die richtige Richtung, findet de Garcia. "Das zeigt, dass die Städte das Thema doch ernst nehmen."

(RP)
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