Diesel-Gerichtsurteil Stadt Düsseldorf will Fahrverbote vermeiden

Berlin · Städte können zur Senkung der Stickoxid-Belastung grundsätzlich Fahrverbote für Dieselautos verhängen. Düsseldorf will Beschränkungen vermeiden und setzt auf besseren ÖPNV sowie mehr Radwege. In Hamburg gibt es ab April erste Fahrverbote.

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat den Weg für Diesel-Fahrverbote in deutschen Städten grundsätzlich frei gemacht. Sie seien als letztes Mittel zur Luftreinhaltung zulässig, urteilten die Richter. Sie wiesen damit Revisionen der Länder Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg gegen zwei frühere Urteile in Stuttgart und Düsseldorf ab. Die neuen Luftreinhaltepläne der beiden Städte müssten aber verhältnismäßig sein. Konkret für Stuttgart gab das Gericht die schrittweise Einführung von Fahrverboten vor. Euro-5-Diesel dürften hier erst ab 1. September 2019 ausgesperrt werden. Die Übergangsfrist für Stuttgart dürfte aber auch für alle übrigen Städte wegweisend sein. Der Stadt Düsseldorf legte das Gericht auf, die Aufnahme von Fahrverboten im Luftreinhalteplan zu prüfen.

Fahrverbote in Hamburg ab April

Als erste Stadt will Hamburg bereits im April streckenbezogene Fahrverbote einführen. Das Urteil bedeutet aber nicht, dass nun automatisch Diesel-Fahrverbote auch in Düsseldorf, Stuttgart und anderen Städten angeordnet werden. Sie sind nun allerdings grundsätzlich möglich, wenn es den 70 betroffenen Städten nicht auf andere Weise gelingt, rasch die zulässigen EU-Grenzwerte für Feinstaub und Stickoxid einzuhalten. Zu schlechte Luft in den Städten gefährdet die Gesundheit vor allem von Kindern und älteren Menschen.

Die zuständige Bezirksregierung Düsseldorf will Diesel-Fahrverbote bis mindestens 2020 in der NRW-Landeshauptstadt vermeiden, erklärte Regierungsvizepräsident Roland Schlapka. "Es gibt keinen Automatismus, dass in Düsseldorf Fahrverbote verhängt werden." Der Luftreinhalteplan solle bis zum Sommer in Kraft treten. Darin werde ein Bündel von Maßnahmen zur Senkung der Schadstoffbelastung in der Luft aufgenommen, etwa die Umstellung der Busse auf Elektroantrieb und Verkehrs- und Mobilitätsmanagement in der ganzen Stadt.

Diesel-Fahrverbote sind zulässig - Reaktionen auf Gerichtsurteil
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Diesel-Fahrverbote sind zulässig - so reagieren Politik und Wirtschaft

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Foto: dpa, fg gfh

Auch die Bundesregierung will Fahrverbote vermeiden, wie die amtierenden Minister Christian Schmidt (Verkehr, CSU) und Barbara Hendricks (Umwelt, SPD) erklärten. Die Autobauer müssten kostenlose Hardware-Nachrüstungen für Diesel anbieten, sagte Hendricks. Das Bundesverkehrsministerium will streckenbezogene Fahrverbote noch in diesem Jahr in die Straßenverkehrsordnung aufnehmen, wie am Wochenende bekannt wurde. Mehr Reaktionen haben wir hier gesammelt.

Düsseldorfs Oberbürgermeister Thomas Geisel (SPD) warnte davor, dass ein Fahrverbot die Stadt vor eine "fast unlösbare administrative Aufgabe" stelle. Denn die Diesel-Fahrzeuge ließen sich bei Kontrollen nur durch einen Blick auf den Fahrzeugschein erkennen. Der bessere Weg sei, die Innenstadt nachhaltig von Autoverkehr zu entlasten, indem der ÖPNV gestärkt und Radwege ausgebaut werden. Dies werde bereits angegangen.

OB Geisel fordert finanzielle Unterstützung

Geisel forderte dafür mehr finanzielle Unterstützung durch den Bund. "Verursacher des Problems sind die Automobilindustrie und das Bundesverkehrsministerium, das offensichtlich nicht streng genug die Grenze für den Schadstoffausstoß festgelegt hat", sagte er. Umstritten ist in Düsseldorf die Frage, wie groß das Gebiet sein müsste, aus dem die Diesel ausgesperrt werden. Ein erster Entwurf sah eine Zone vor, die nur die direkte Innenstadt betrifft. Allein in Düsseldorf sind rund 110.000 Diesel-Pkw zugelassen. Darunter sind rund 34.000 Fahrzeuge in den Schadstoffklasse Euro 4 oder schlechter, die zuerst betroffen wären. Dazu kommen Hunderttausende Berufspendler, die täglich mit dem Auto in die Stadt anreisen. Das Handwerk warnt vor dem Verlust von Arbeitsplätzen. Die Industrie- und Handelskammer geht davon aus, dass der tägliche Wirtschafts-, Taxi- und Lieferverkehr von und nach Düsseldorf zu rund 90 Prozent mit Dieselautos abgewickelt wird. Welche Diesel-Modelle betroffen sind, lesen Sie hier.

"Die Autofahrer dürfen nicht die Zeche zahlen für das Versagen der Autobranche. Deshalb dürfen die Kosten für notwendige Nachrüstungen nicht an den Käufern hängenbleiben", forderte Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD). "Wir erwarten von der Automobilindustrie, dass sie Euro 5- und Euro 6-Fahrzeuge technisch nachrüstet. Alleinige Software-Updates reichen nicht aus", sagte der SPD-Politiker. Maas betonte, er könne die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts nicht kommentieren. Unabhängig davon sei klar: "Die Automobilindustrie ist in der Pflicht, Schadstoffe zu reduzieren und die Umwelt zu entlasten - und zwar schnell, gesetzestreu, technisch sauber und transparent nachvollziehbar", sagte der geschäftsführende Minister. Die gesetzlichen Vorgaben zur Luftreinhaltung müssten eingehalten werden. "Pauschale Fahrverbote gehen am Ende zu Lasten der Autofahrer und der Wirtschaft", so Maas.

Auch Linken-Chefin Katja Kipping fand deutliche Worte: "Dieses Urteil ist hoffentlich der Anfang vom Ende der Wild-West-Mentalität in den Vorstandsetagen der Betrügerkonzerne." Die Reaktionen auf das Urteil offenbarten aber "teilweise eine erschreckende Verachtung für die Gesundheit der Menschen sowie eine unfassbare Unterwürfigkeit gegenüber der Autolobby".

"Mammut-Fahrverbotsbürokratie"

Der Gemeindebund (DStGB) sieht nach dem Urteil eine Prozessflut auf Kommunen und Autobauer zukommen. "Es besteht nicht nur die Gefahr, einer Mammut-Fahrverbotsbürokratie, sondern es ist auch eine Prozessflut zu befürchten, mit der sich betroffene Dieselfahrzeugbesitzer, aber auch Anlieger von Straßen, die dann unter dem Umwegeverkehr leiden, zur Wehr setzen werden", sagte der DStGB-Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg. "Das zeigt, dass wir uns darauf konzentrieren müssen, die Luftqualität auch ohne Fahrverbote zu verbessern", sagte Landsberg.

(RP)
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