Gerichtsurteil Flüchtlingsbürgen müssen Teil der Sozialleistungen übernehmen

Münster · Flüchtlingsbürgen in Nordrhein-Westfalen bleiben auf ihren Kosten zum großen Teil sitzen. Nach einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts in Münster müssen diejenigen, die für Flüchtlinge gebürgt haben, grundsätzlich für deren Lebensunterhalt haften.

 Das OVG in Münster (Archivbild).

Das OVG in Münster (Archivbild).

Foto: dpa, bt tag gfh

Die Richter milderten in zwei Berufungsverfahren die Zahlungspflicht gegenüber den Jobcentern allerdings etwas ab: Für Kranken- und Pflegeversicherung müssen die Bürgen demnach nicht aufkommen.

Das Urteil hat weitreichende Bedeutung. Bundesweit hatten sich im Rahmen humanitärer Aufnahmeprogramme rund 7000 Flüchtlingspaten in den Jahren 2013 und 2014 verpflichtet, Bürgschaften für syrische Flüchtlinge zu übernehmen und für deren Lebensunterhalt aufzukommen. Zahlreiche Rechtsstreitigkeiten sind bei den Gerichten anhängig, für die das OVG-Urteil nun möglicherweise eine Richtschnur darstellt. In einigen Fällen soll es dabei um Rechnungen bis zu 20.000 Euro gehen. Allerdings unterstrichen die Richter, dass umfangreiche Einzelfallprüfungen berechtigt seien.

Das OVG hatte am Freitag über zwei Klagen zu entscheiden. In einem Fall hatte sich ein deutscher Staatsangehöriger syrischer Herkunft gegenüber der Ausländerbehörde des Kreises Gütersloh verpflichtet, die Kosten für den Lebensunterhalt seines syrischen Bruders und dessen Ehefrau tragen. Im zweiten Fall hatte ein türkischer Staatsangehöriger gegenüber der Stadt Leverkusen für zwei Syrer gebürgt. Den Bürgen entstanden Kosten von 5200 bzw. 3400 Euro. Darin enthalten waren Zahlungen an die Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 850 Euro und 1000 Euro. Nur diese Kosten werden den Bürgen dem Urteil zufolge nun erlassen.

Flüchtlingsorganisationen empört über Entscheidung

Bei Flüchtlingsorganisationen löste die Entscheidung des OVG Empörung aus. "Mit dem Urteil bestraft das Gericht ausgerechnet die Leute, die Hilfsbereitschaft zeigten", sagte Claus-Ulrich Prölß, Geschäftsführer des Fördervereins Kölner Flüchtlingsrat. Insbesondere für jene, die damals ihre Angehörigen aus den Kriegsgebieten in Sicherheit holen wollten, sei das Urteil ein schwerer Schlag.

NRW-Integrationsminister Joachim Stamp (FDP) hingegen beurteilte die Entscheidung grundsätzlich positiv: "Das sind positive Signale zu Gunsten derjenigen, die sich ehrenamtlich und unter hohem persönlichem Einsatz in der Flüchtlingskrise engagiert haben", sagte Stamp mit Blick auf die Versicherungskosten. Zu Wochenbeginn hatte Stamp noch gesagt: "Soziale Gerechtigkeit bedeutet, nicht noch diejenigen zu bestrafen, die sich mit ihrem Engagement um das Gemeinwohl der Bundesrepublik Deutschland verdient gemacht haben."

Das OVG begründet sein Urteil mit einem Erlass des NRW-Innenministeriums vom 26. September 2013. Diesem sei nicht zu entnehmen, dass ein Bürge auch für die Krankenversicherungskosten aufkommen müsse.

Beide Bürgen hatten zuvor vor Verwaltungsgerichten geklagt, weil sie davon ausgingen, dass ihre Zahlungsverpflichtung enden würde, wenn ein Flüchtling anerkannt sei. Während der Deutsche in erster Instanz vor dem VG Minden gegen das Jobcenter Kreis Paderborn gewonnen hatte, war die Klage des Türken gegen das Jobcenter Leverkusen vom VG Köln abgewiesen worden.

Eine Revision gegen das Urteil beim Bundesverwaltungsgericht ließ das oberste Landesgericht nicht zu, dagegen kann aber Beschwerde eingelegt werden.

(kbl)
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