Schutzmaßnahmen Warum Stadtplaner das Hochwasser nicht fernhalten wollen

Düsseldorf · Die Bilder von der Überschwemmung in Houston dürften auch hierzulande Erinnerungen wecken. Denn auch in Niedersachsen und NRW gibt es immer wieder Hochwasseralarm. Der Architekt Mark Kammerbauer erklärt, warum Städte wie Köln das Wasser nicht mehr fernhalten sollten, um sich davor zu schützen.

Herr Kammerbauer, die Bilder aus Houston gehen momentan um die Welt. Viele Experten sagen, so etwas könnte in Deutschland auch passieren, wenn wir nicht anders mit Naturkatastrophen umgehen. Wie sehen Sie das?

 Mark Kammerbauer ist Architekt und Stadtplaner. Er unterrichtet an der Technischen Hochschule Nürnberg und hat sich auf das Thema "resiliente Städte" spezialisiert.

Mark Kammerbauer ist Architekt und Stadtplaner. Er unterrichtet an der Technischen Hochschule Nürnberg und hat sich auf das Thema "resiliente Städte" spezialisiert.

Foto: Mark Kammerbauer

Mark Kammerbauer Ich bin ebenfalls der Meinung, dass wir einen neuen Ansatz für solche Katastrophen brauchen. Bislang ging es immer darum, das Wasser durch Maßnahmen wie Deiche aus den Städten herauszuhalten. Aber das funktioniert so nicht.

Warum nicht?

Kammerbauer Die Vergangenheit zeigt, dass man zwar versuchen kann, die Natur zu planen und zu kontrollieren, dass das aber nicht funktioniert. Plötzlich ist ein Deich oder eine andere Hochwasserschutzmaßnahme nicht hoch genug oder nicht stark genug. Die Bewohner haben sich aber darauf verlassen, sitzen in ihren Häusern fest und müssen plötzlich mit dem Schlauchboot vom Technischen Hilfswerk abgeholt werden. Das ist eine Katastrophe, die man abwenden kann, wenn man das Wasser in die Städte hinein lässt.

Wie meinen Sie das?

Kammerbauer Man kann mit Ingenieurfertigkeiten das Wasser nicht aufhalten, aber man kann Häuser und Städte widerstandsfähig machen. Man nennt das eine resiliente Stadt. Die Häuser sind in den tieferen Etagen speziell beschichtet oder aus Beton, sodass das Hochwasser ihnen nichts anhaben kann. Sind die Bereiche aus Gipskarton, muss man sich nicht wundern, wenn nach einem Hochwasser alles kaputt ist.

In Köln kommt es immer wieder zu Hochwasser. Was müsste die Stadt tun, um resilient zu werden?

Kammerbauer Man kann zum Beispiel Parks oder Spielplätze so anlegen, dass sie im Fall von Hochwasser als Stauflächen dienen können. In Kopenhagen gibt es bereits Pläne, bei denen sich solche Anlagen zu einer Mischung aus Deich und Teich verwandeln sollen. Durch Vertiefungen sollen sie als Regensammelplatz dienen und das Wasser durch ein spezielles System ablaufen lassen können. So weit ich weiß, gibt es in Köln bereits eine Tiefgarage am Rhein, die so angelegt ist, dass sie auch als Wasserrückhaltebecken dienen kann. In Holland gibt es auch schon Häuser, die eine Vorrichtung haben, die das Gebäude mit dem Wasserpegel ansteigen lässt. Das geht natürlich nur bei kleineren Häusern.

In Asien kommt es einmal im Jahr zu den heftigen Monsunregenfällen. Deshalb sind viele Häuser dort auf Stelzen gebaut. Wäre das auch eine architektonische Lösung für Deutschland?

Kammerbauer Zumindest könnte man die unteren Etagen in Städten mit Hochwassergefahr leer stehen lassen. In Passau beispielsweise war das jahrelang so. Inzwischen wurden im Erdgeschoss Cafés und Geschäfte für den Tourismus eröffnet. Früher, war es normal, dort Platz für das Wasser zu lassen. Auf solche Ideen sollte man sich wieder zurückbesinnen, sie hätten vielleicht auch die Katastrophe in Houston verhindern können.

Wieso?

Kammerbauer In Houston hat man sich zu sehr auf Immobilien konzentriert und zu wenig Flächen für das Wasser gelassen. Jetzt kann es eben nirgendwo mehr hin und staut sich. Die Erfahrung zeigt zugleich, dass wir aufgrund des Klimawandels damit rechnen müssen, dass es häufiger zu heftigem Regen kommen wird. Die Stadtplaner müssen diese Probleme also möglichst schnell lösen, um Anwohner in Hochwasser gefährdeten Gebieten zu schützen. Sonst bleibt nur die Umsiedelung in weniger gefährdete Gebiete und das ist vor allem in Großstädten kaum zu machen.

(ham)
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