Brand in Bochumer Klinik "Was, wenn es mich oder einen Angehörigen getroffen hätte?"

Menschen, die auf Balkonen um Hilfe rufen, Feuerwehrleute, die verzweifelt versuchen, zu den Eingeschlossenen vorzudringen - es waren dramatische Szenen, die sich beim Großbrand im Uniklinikum Bergmannsheil abspielten. Auch Stunden nach dem Alarm herrscht in Bochum Ausnahmezustand.

Großbrand in Bochum im Universitätsklinikum Bergmannsheil
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Großbrand in Bochumer Uniklinik

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  • Zwei Menschen sterben bei Brand in Uniklinik Bochum
  • Sieben Personen sind noch in Lebensgefahr
  • Feuer entstand in Patientenzimmer
  • Notfallnummer für Angehörige: 0234 / 302 6114

Die Straßen um den Brandort, an dem zwei Menschen starben und 15 Patienten zum Teil schwerstverletzt wurden, blieben bis zum Freitagvormittag weiträumig abgesperrt. Währenddessen versucht die Feuerwehr nach wie vor, das im sechsten Stock eines Patientenhauses ausgebrochene Feuer zu bekämpfen.

"Es sind immer noch nicht alle Brandnester gelöscht", sagt einer der Feuerwehrleute, während die Menschen in unmittelbarer Nachbarschaft fassungslos auf das achtstöckige Brandhaus im Stadtteil Ehrenfeld blickten. Weiter steigen Rauchschwaden aus dem Gebäude auf.

Den Anwohnern ist der Schrecken der Nacht noch deutlich in die Gesichter geschrieben. Vor einem Haus direkt neben dem Parkdeck des Bergmannsheils mäht eine ältere Frau in Arbeitskleidung den Rasen. Ihren Namen will sie nicht nennen, sagt sie: "Das ist alles schon Aufregung genug." Ihre Stimme zittert. "Ich bin ehrlich erschüttert. Man ist so nah dran, man kann sich so gut vorstellen, wie es den Menschen im Krankenhaus gegangen sein muss." Sie müsse jetzt den Rasen mähen - einfach um runterzukommen und den Schock zu verarbeiten. Um die Brandruine zu sehen, müsste sie um die Hausecke schauen. "Aber ich gehe nicht gucken. Gaffen finde ich furchtbar."

Andere sehen das weniger eng. Sie stehen vor der eigenen Haustür oder sind aus einer Querstraße hergekommen.

Der Mann vor dem Haus direkt gegenüber der Brandstelle gibt sich abgeklärt. "Wach geworden sind wir nicht vom Einsatz", sagt er. "Hier in der Gegend ist man Sirenen ja gewohnt." Aber ein ungutes Gefühl habe er doch beim Anblick des Einsatzes, gibt er zu. "Weil ich weiß, wie schwer diese Brände zu löschen sind."

Zeitgleich versuchen die Mitarbeiter des Krankenhauses, so gut es geht zum Alltag zurückzukehren. Schwestern und Pfleger schieben Stühle und Betten zwischen den einzelnen Bereichen der größten Bochumer Klinik hin und her.

Schließlich muss der Betrieb weitergehen. Entgegen anderslautenden Meldungen ist das Bochumer Universitätsklinikum weiterhin geöffnet. "Wir nehmen natürlich nach wie vor Patienten auf", sagt der ärztliche Direktor Thomas Schildhauer, der seinen Mitarbeitern ein großes Lob ausspricht: "Alles hat entprechend unseren Notfallplänen funktioniert".

"Die haben das wirklich gut im Griff gehabt"

Das bestätigt auch Patient Dirk Kruft, der in seinem Rollstuhl auf dem Bürgersteig an der Krankenhaus-Zufahrt sitzt. Er sei morgens zwischen 2 und 3 Uhr gerade zum Rauchen am Eingang auf der anderen Gebäudeseite gewesen, als der Alarm ausgelöst wurde. "Und dann ging die Bettenschieberei auch schon los." Viele Patienten seien nach Hause geschickt worden. "Ich weiß nicht, wieviele Taxen zwischen drei und vier Uhr vorm Krankenhaus standen", sagt der Wattenscheider. Ihn habe man auch fast entlassen. Aber er erinnerte das Personal daran, dass er am Dienstag wegen seines Knöchelbruchs noch mal operiert werden soll. Insgesamt zeigt sich der Mann beeindruckt von der Leistung des Personals: "Die haben das wirklich gut im Griff gehabt."

Anwohnerin Waltraut Kersting steht mit ihrem Mann auf der Straße. Um halb sieben hat sie die Polizei geweckt, damit sie ihr Auto woanders parkt. Rund um das Krankenhaus sind die Straßen schmal. "Vorige Woche habe ich noch selbst hier im Krankenhaus gelegen", sagt sie. "Und mein Mann war sogar mal auf der Station, auf der es gebrannt hat." Das sei ein ganz komisches Gefühl. "Man fragt sich ja doch: Was, wenn es mich oder einen Angehörigen getroffen hätte?"

Pfleger trugen Patienten über sechs Etagen ins Freie

Tatsächlich musste in der Nacht alles ganz schnell gehen. Bereits Minuten nach dem ersten Alarm wurde die Abteilung geräumt, in der das Feuer in einem Patientenzimmer ausgebrochen war. Über die Treppenhäuser wurden die Patienten in Sicherheit gebracht, von denen einige bettlägerig sind.

Pfleger, Schwestern und Ärzte trugen die teilweise schwer verletzten Menschen über sechs Etagen nach unten. Erschwert wurden die Rettungsmaßnahmen vom dichten Rauch, der sich rasend schnell in dem Haus ausbreitete. So konnten einige Patienten nicht mehr über das Treppenhaus in Sicherheit gebracht werden. Deshalb kämpfte sich die Feuerwehr mit einer Drehleiter zu den Eingeschlossenen vor - so gelang es am Ende doch noch, auch diese Menschen zu retten.

"Das Krankenhaus-Personal, die Feuerwehr und die Polizei - alle haben tolle Arbeit geleistet", sagt ein immer noch sichtlich geschockter Bochumer Oberbürgermeister Thomas Eiskirch am Morgen nach dem Brand.

Am Mittag dann sagt er im Gespräch mit RP Online: "Die Helfer haben 124 Menschen händisch über sechs Etagen aus dem Gebäude getragen", sagte Eiskirch. Teams aus ganz NRW hätten dabei geholfen. "Ein Feuerwehrmann hat mir erzählt, dass er so etwas noch nie gesehen hat", so Eiskirch. Damit habe der Helfer die Menschen gemeint, die auf den Balkonen um Hilfe gerufen hatten. "Das hat auch die Einsatzkräfte sehr mitgenommen."

Zeitgleich kehrt tatsächlich aber schon wieder so etwas wie Normalität in die Stadt zurück. Da durch das Feuer keine Intensivstation oder Operationssäle zu Schaden gekommen seien, sei das Hospital nicht funktionseingeschränkt, so Eiskirch. Für die Betten würde nun auf anderen Stationen Platz geschaffen, die Notfallambulanz sei bereits wieder anlaufbar.

Am späten Vormittag hebt die Polizei eine Reihe der Straßensperren auf, so dass der Transporter eines anderen Bochumer Krankenhauses auf das Gelände des Bergmannsheil fahren kann. "Wir bringen Essen", sagt der Fahrer. Denn schließlich ist die Küche des Universitätsklinikums nach dem Großfeuer bis auf weiteres ebenfalls nicht mehr nutzbar. "Da ist es doch klar, dass wir aushelfen", ruft der Transporterfahrer noch - und biegt ab in Richtung Unglückshaus.

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