Organtransplantation Weihnachten mit neuem Herzen

Bochum · Die Zahl der Organtransplantationen sinkt seit Jahren, weil Spender fehlen. Dabei warten in Deutschland rund 12.000 Menschen. Einer, der ein Herz bekommen hat, ist Clemens Göbel. Ohne dieses hätte er Weihnachten wohl nicht erlebt.

 Clemens Göbel und seine Frau Dorothea können endlich wieder aufatmen. Nach einem Jahr voller Höhen und Tiefen geht es dem 50-Jährigen nach der Herztransplantation endlich wieder besser.

Clemens Göbel und seine Frau Dorothea können endlich wieder aufatmen. Nach einem Jahr voller Höhen und Tiefen geht es dem 50-Jährigen nach der Herztransplantation endlich wieder besser.

Foto: Andreas Bretz

Clemens Göbel hat Geschenke gekauft, einen Baum aufgestellt und war auf dem Weihnachtsmarkt. Das alles war anstrengend für ihn. Er konnte nicht wie viele andere mit Bus oder Bahn in die Stadt fahren. Wenn er jemandem die Hand schüttelte, musste er seine danach desinfizieren. Den Menschen durfte er nicht zu nahe kommen, denn eine Erkältung kann er sich nicht erlauben. Sein Immunsystem ist durch Medikamente geschwächt. Doch das alles stört den 50-Jährigen nicht allzu sehr. "Ich bin wieder der Alte und habe Spaß daran, alles mitzumachen", sagt er. Erst vor zehn Monaten hat Clemens Göbel ein neues Herz bekommen.

Es ist eines von deutschlandweit 2418 Organen, die zwischen Januar und September transplantiert wurden (nach dem Tod des Spenders). Ein Minusrekord. Denn im gleichen Zeitraum des Vorjahres waren es bundesweit laut Deutscher Stiftung Organtransplantation (DOS) noch 2501, im Jahr 2012 sogar 2912 Organe. Doch die Zahl der Menschen, die bereit sind, ein Organ zu spenden, sinkt seit Jahren. Von Januar bis September diesen Jahres waren es nur 649 Spender, im Vorjahreszeitraum 675, 2012 noch 829.

Wie verzweifelt das Warten auf ein Spenderorgan ist, weiß der Bochumer nur allzu gut. Er wartete fast ein halbes Jahr. Während dieser Zeit ging es ihm schlecht, er lag nur im Bett. Weihnachten 2013 hat es für ihn nicht gegeben. "Man hört von den langen Wartelisten und denkt: Mensch, was haben wir ein Glück", sagt seine Frau Dorothea. Für die 46-Jährige war es eine furchtbare Zeit. "Alle zwei Monate wurde kontrolliert, ob es meinem Mann schlecht genug geht, um auf der Hochdringlichkeitsliste zu stehen - und man dachte nur: Hoffentlich geht es ihm schlecht genug. Das ist ein furchtbarer Gedanke." Doch nur auf dieser Liste hatte er eine Chance auf ein neues Organ.

An die Wartezeit denkt Göbel nicht mehr. Er schaut lieber in die Zukunft. "Ich habe meiner Frau versprochen, mit ihr einen Tanzkursus zu machen." Seit drei Monaten geht er ins Fitnessstudio. Doch der ehrgeizige 50-Jährige ist noch unzufrieden. "Meine Fortschritte sind minimal, alles dauert zehnmal so lang wie früher. Im Kopf geht alles, aber der Körper will nicht." Doch das ist Ansichtssache. "Es ist faszinierend, wie schnell er wieder fit war", sagt seine Frau. In der Zeit nach der Transplantation habe er nur 60 Kilo gewogen. "Heute kann ihn sein Körper endlich wieder tragen."

Mittlerweile ist es 60 Jahre her, seit Mediziner in Boston erstmals erfolgreich ein Organ transplantiert haben. Mehr als 103.000 Organe wurden seitdem bis 2011 in Deutschland transplantiert, so die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA). Ausreichend sei das leider nicht. So bekäme weniger als die Hälfte der Menschen, die auf eine Niere warten, auch ein neues Organ. Zwar seien laut einer Umfrage der BZgA etwa zwei Drittel der Deutschen bereit, nach ihrem Tod ihre Organe zu spenden, doch die wenigsten halten dies auch schriftlich fest. 2010 hatten nur 7,3 Prozent der potenziellen Spender einen Spenderausweis. Ein Grund dafür seien die Folgen der Skandale um die Vergabe von Organen etwa in Göttingen.

Dabei sind die Kliniken um Transparenz bemüht. Das Transplantationszentrum in Bad Oeynhausen, in dem auch Göbel operiert wurde, ist Ende November von einer Prüfungskommission der Bundesärztekammer unter die Lupe genommen worden. Die siebenköpfige Delegation, bestehend aus Transplantationsexperten und Vertretern der Bundesärztekammer sowie einem Vertreter des Landes NRW, hatte dabei keine Beanstandungen gefunden. Die Kommission prüft die Vermittlungsentscheidung der Zentren. "Die Zurückhaltung bei der allgemeinen Organspendebereitschaft trifft bei uns aktuell 220 Patienten, die auf ein Herz oder eine Lunge warten", sagt Jan Gummert, Ärztlicher Direktor des Zentrums. "Das sind Menschen, denen wir in ihrer Situation dringend helfen könnten, wenn genügend Spenderorgane zur Verfügung stehen würden. Es sterben einfach noch zu viele Menschen auf der Warteliste."

Für Clemens Göbel ist das Vergangenheit. Auch wenn er manchmal noch Alpträume hat. Das gehöre zum Heilungsprozess, sagt er. Sein neues Herz sei jetzt ein Teil von ihm. Dabei fiel es ihm nicht leicht, sein altes Herz aufzugeben. "Ich wusste, es war krank, aber es war trotzdem schlimm, es aufzugeben." Angst davor, dass das neue Organ versagen könnte, hat er nicht. Darüber denkt er nicht nach. Stattdessen schmiedet er Pläne. "Nächstes Jahr möchte ich wieder arbeiten gehen. Und joggen." Die passenden Schuhe warten schon auf ihn.

(RP)
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