Nordrhein-Westfalen Wer hat Angst vorm "bösen Wolf"?

Düsseldorf · Mitten in Wildeshausen in Niedersachsen ist ein Wolf gesichtet worden. Es ist das erste Mal, dass ein Tier sich so auffällig benimmt. Auch die Landesgrenzen zu NRW haben Wölfe bereits überschritten. Wie sollen die Behörden reagieren?

2014: Wolfswelpen sind in die Fotofalle getappt
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Foto: dpa, jol cul

Ein uralter Konflikt bekommt derzeit wieder neue Nahrung - der zwischen Mensch und Wolf. Es ist die Urangst vor dem Raubtier, das einen Menschen töten kann, eine Angst, die tief verwurzelt ist im kulturellen Erbe. In Wildeshausen im Landkreis Oldenburg ist ein Wolf in einem Wohngebiet gesichtet worden, auch in der Nähe eines Waldkindergartens in Goldenstedt soll er sich herumgetrieben haben. Jogger in der Region berichten von Wölfen, eine Frau in der Lüneburger Heide fühlte sich mit ihrem Hund gleich von einem Rudel verfolgt. Auch in NRW wurden zuletzt Wölfe nachgewiesen - die Tiere wandern und beachten keine Landesgrenzen. Es ist wohl nur eine Frage der Zeit, bis Spaziergänger die Tiere auch in NRW sichten. Kein Grund zur Besorgnis, sagt Markus Bathen, Wolf-Experte des Deutschen Naturschutzbundes (Nabu). Das Raubtier sei für Menschen keine Bedrohung.

In Wildeshausen ist man da skeptischer. Zunächst hieß es, der Wolf müsse getötet werden, weil er ein atypisches Verhalten zeige. Davon ist aber keine Rede mehr. "Der auffällige Wolf wird betäubt, eingefangen, besendert und wieder freigelassen", sagt die niedersächsische Umwelt-Staatssekretärin Almut Kottwitz (Grüne). Das Tier soll dann "vergrämt" werden, das heißt, es "soll durch unangenehme Weise lernen, dass es in der Nähe des Menschen nicht erwünscht ist". Dazu werde es mit Gummischrot beschossen. Nur wenn dies nicht den erwünschten Erfolg bringt, wird über andere Möglichkeiten diskutiert. Dann soll der Wolf, so Kottwitz, "der Natur entnommen werden". Das kann eine Unterbringung in einem Zoo bedeuten. Oder, wenn ein "rechtfertigender Notstand" vorliegt, auch die Tötung des Tiers.

 Wölfe und Menschen: Ein uralter Konflikt.

Wölfe und Menschen: Ein uralter Konflikt.

Foto: dpa

Wölfe stehen in Deutschland unter strengem Naturschutz. In der Lausitz wurde 1904 das letzte lebende Exemplar erschossen, seit Ende der 90er Jahre besiedelt der Räuber von dort aus wieder das Land. Mittlerweile zählen Experten bundesweit 25 Rudel mit rund 200 Tieren, die sich ungestört vermehren. Natürliche Feinde gibt es nicht, aber zunehmend Konfliktzonen mit dem Mensch. So wurden allein im Landkreis Vechta in den vergangenen Wochen rund 60 Schafe und Lämmer gerissen. Auf rund 8000 Euro beziffert Mathias Brockob, Sachverständiger für Landwirtschaft in Niedersachsen, den wirtschaftlichen Schaden der Schäfer. Das Land hat zwar für dieses Jahr 100 000 Euro Entschädigung für gerissene Schafe bereitgestellt. Jedoch ist es den Schäfern lieber, präventiv vorzugehen. Sie schützen ihre Tiere, indem sie sie auf Höfen halten und teuer zufüttern. Das kostenlose Weidegras bleibt in der Zeit unangetastet. "Alle Schafe auf dem Hof zu halten, kostet mich pro Tag 400 Euro zusätzlich", sagt Schäfer Werner Olschewski aus Goldenstedt. Er registriert fast täglich Wolfsangriffe auf seine Tiere. Die einzige Möglichkeit, die ihm bleibe, sei eine teure Einzäunung. In der Wolfshochburg Lausitz, sagt Brockob, hätten viele Schafzüchter wegen der hohen Kosten aufgegeben.

Dafür haben sich nach einer Krisensitzung auch die Betreiber des Waldkindergartens entschieden. Einen Meter hoch ist der Zaun und mit Lappen versehen, die im Wind flattern. Wölfe mögen das angeblich nicht, sagen die niedersächsischen Wolfs-Berater. Die Eltern in Goldenstedt sind trotzdem besorgt.

Neuer Lebensraum für seltene Tiere
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Nabu-Experte Bathen versucht zu beruhigen. Wölfe wandern täglich bis zu 75 Kilometer. Dabei überqueren sie eben Felder oder nutzen Straßen. Dass sie Schafe reißen, passe eben in ihr Beuteschema. "Der Wolf kann nicht wissen, dass er ein Reh reißen darf und ein Schaf nicht." In Brandenburg seien Schutzzäune weiter verbreitet, das Konfliktpotential ist damit geringer.

Dazu kommt, dass der Wolf in Wildeshausen das laut Kottwitz bisher auffälligste Exemplar in Deutschland sei. Aggressiv verhalten habe es sich aber nicht, womöglich sei es ein neugieriges Jungtier. Wenn es eingefangen ist, wird man mehr wissen. Hierzulande beobachtet das die Arbeitsgruppe "Wolf in NRW", der unter der Leitung des Landesamtes für Umwelt, Natur und Verbraucherschutz (Lanuv) Vertreter von Behörden, Jagd, Landwirtschaft und Naturschutz angehören, sehr aufmerksam. Unter anderem soll es ein landesweites Wolfmonitoring geben. Noch gilt in Nordrhein-Westfalen die Wolf-Stufe eins - die Tiere kommen über die Landesgrenzen und verschwinden wieder. Irgenwann aber werden wohl auch hier die Menschen lernen müssen, mit dem Wolf zu leben.

(RP)
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