"Satanist von Witten" vor Gericht "Wer sich so anbiedert, wird in Anspruch genommen"

Knapp 16 Jahre nach einem grausamen Ritualmord legt der sogenannte "Satanist von Witten" ein Geständnis ab. Dabei geht es vor Gericht schon wieder um einen neuen Mordplan. Doch Daniel W. bestreitet, dass seine Ex-Frau sterben sollte.

Satanist von Witten: "Wer sich so anbiedert, wird in Anspruch genommen"
Foto: dpa

Der "Satanist von Witten" hat sich verändert: Die Haare des 41-Jährigen sind grau, seine blasse Haut wirkt wächsern, er ist hager. Fast 16 Jahre Gefängnis haben ihre Spuren hinterlassen. Nach einem grausamen Ritualmord waren Daniel W. und seine Frau, von der er inzwischen geschieden ist, 2002 vor dem Landgericht in Bochum zu langen Haftstrafen verurteilt worden.

Entgegen den Aussagen in seinem Buch gibt er am Montag das erste Mal zu, dass er zurecht im Gefängnis sitzt. Mit 66 Messerstichen und Hammerschlägen hatte er 2001 mit seiner Ex-Frau einen Bekannten in Witten getötet. Doch um diesen Fall geht es heute nicht mehr.

Jetzt wirft ihm die Anklage vor, aus dem Gefängnis heraus eine Brieffreundin dazu angestiftet zu haben, seine Ex-Frau zu töten, weil die sich im Mordprozess 2002 negativ über ihn geäußert hatte. Daniel W. soll der Frau, die ihm eine Zeit lang ins Gefängnis schrieb und ihn besuchte, auch Geld geboten haben. All dies soll schon vor sieben Jahren passiert sein.

Daniel W. hat sich geradezu akribisch vorbereitet auf diesen Prozess. Seine Entlassung aus dem Gefängnis stand kurz bevor. Wird er nun erneut verurteilt, rückt die Aussicht auf Freiheit wieder in weite Ferne. Der Angeklagte hat einen Ordner dabei, Dutzende Haftnotizen kleben zwischen den Seiten, er scheint die Akte auswendig zu können, so schnell blättert er die Papiere durch und findet die Stellen, die er zitieren will. Gleich zu Beginn des Prozesses lässt er Kammer und Staatsanwaltschaft wissen, was er von den Vorwürfen hält: "Das ist geradezu grotesk." Es habe keine Drohungen und schon gar keinen Mordauftrag gegeben. "Völliger Unsinn", sagt er. Daniel W. wirkt eloquent und lässt sich nur schwer wieder einfangen von der Vorsitzenden Richterin, die irgendwann einwirft: "Das führt alles zu weit."

"Eigentlich war sie nicht mein Typ"

Die Brieffreundschaft zur wichtigsten Zeugin des Verfahrens begann im Frühjahr 2010. "Sie hat sich angebiedert bei mir", sagt Daniel W. "Ich saß schon so lange, da dachte ich: Warum nicht?" Wie die 34-jährige Paula K. (Name geändert) später an diesem Tag sagen wird, hat sie das Buch gelesen, das Daniel W. im Gefängnis geschrieben hat. Es handelt vom Mordprozess und davon, dass er unschuldig für den Mord an einem Bekannten verurteilt worden sein soll — seine Ex-Frau habe die Tat allein begangen, behauptet W. im Buch. Paula K. schrieb dem Angeklagten, nach wochenlangem Schriftwechsel besuchte sie ihn im Gefängnis. "Sie war rein äußerlich nicht mein Typ", sagt Daniel W. Trotzdem schrieb er ihr nach dem ersten Treffen: "Ich bin jetzt noch entzückt, ehrlich gesagt finde ich dich regelrecht hinreißend. Umso mehr bedauere ich, dass wir uns nicht öfter sehen können."

Warum derart überschwänglich, will die Vorsitzende wissen. Daniel W. grinst und sagt: "Das hatte rein opportunistische Gründe, warum nicht was abgreifen von dieser Dame? Wer sich so anbiedert, wird in Anspruch genommen." Er hatte sie gebeten, ihm Filme und Musik von Black-Metal-Bands zu besorgen. Nett zu sein sei außerdem einfach auch "wichtig dafür, dass die Person nicht irgendwann schlecht über dich spricht". Der Mann, dem 2002 eine narzisstische Persönlichkeitsstörung attestiert wurde, ist sicher: "Wir sitzen garantiert nur deshalb hier, weil sie das alles noch nicht verwunden hat."

Für den Prozess ist vor allem eine Brief-Passage interessant: Daniel W. schrieb Paula K.: "Sag, die Bekloppte wohnt sieben Kilometer von deinem Haus entfernt?" Er meinte damit seine Ex-Frau, die in einer psychiatrischen Klinik untergebracht war. Paula K. könne sich dort doch als Pflegekraft einschleusen. "Ich würde dir auch ne ganze Menge bezahlen für so einen 'besonderen Dienst', haha", heißt es weiter in dem Brief.

Jeden Mittwoch im Nettomarkt

Paula K. sagt später im Zeugenstand: "Er sitzt unschuldig und seine Frau soll weg", das sei seine Botschaft an sie gewesen. Kurioserweise versorgte sie den Inhaftierten mit Infos über seine Ex-Frau — wo sie lebt, wer sie besucht. Ihre Erklärung dafür: "Als Ladendetektivin war ich immer mittwochs im Netto-Markt gegenüber der Klinik." Mittwochs hätten die Patienten immer Ausgang gehabt. Sie habe aber schon bei der ersten Begegnung mit Daniel W. gedacht, dass der "nicht ganz richtig sei". Er habe ihr Todesanzeigen gezeigt, düstere Gedichte aufgesagt. Sie ging trotzdem wieder hin — was die Vorsitzende mehrfach hinterfragt. Naja, sagt die Zeugin, sie habe ihm helfen wollen, eigene Ermittlungen anstellen, es hätte ja sein können, dass er tatsächlich unschuldig sei.

Nachdem Daniel W. ihr schließlich schrieb, dass das nichts werde mit den beiden, teilte Paula K. der JVA mit, Daniel W. habe ihr von Fluchtplänen erzählt. Seine Zelle wurde auf links gedreht, er durfte kurzzeitig nicht mehr in der Gefängnis-Bibliothek arbeiten. Paula K. trat erneut auf den Plan, als sie aus einer Zeitung erfuhr, dass Daniel K. bald entlassen wird. Sie ging zur Polizei und erzählte den Beamten, K. habe sie zum Mord angestiftet.

Am Mittwoch soll das Urteil verkündet werden.

(hsr)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort