15.000 Anträge Schnellverfahren bei Asyl sind angelaufen

Berlin · Binnen zwei Monaten soll über mindestens 15.000 Anträge entschieden werden. In Albanien warnt Deutschland vor falschen Erwartungen. NRW bereitet einen Kurswechsel bei der Flüchtlings-Unterbringung vor.

Was ist was - Begriffe zum Thema Flüchtlingsunterkünfte
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Foto: dpa, rwe lof

Mit einer konzertierten Aktion wollen die Behörden den Zustrom Asylsuchender vom Westbalkan stoppen. Das Ziel ist, die Bearbeitung derart auf die Anträge aus diesen Ländern (also Ex-Jugoslawien und Albanien) zu konzentrieren, dass künftig binnen zwei Wochen entschieden ist.

Innerhalb von zwei Monaten hatte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) im Frühjahr in einer ähnlichen Aktion 15.000 Anträge aus dem Kosovo bearbeitet - "das wollen wir jetzt übertreffen", sagte BAMF-Präsident Manfred Schmidt unserer Zeitung.

Auch wegen falscher Versprechungen und fingierter Arbeitsverträge war die Zahl nahezu aussichtsloser Asylanträge aus dem Westbalkan stark gestiegen. "Wir haben doppelt so viele Antragsteller aus dem Balkan wie aus tatsächlichen Bürgerkriegssituationen", berichtete Schmidt. Von 200.000 Zugängen in diesem Jahr kämen allein 94.000 vom Balkan. Die hätten aber nur eine absehbare Anerkennungsquote von 0,1 bis 0,2 Prozent.

Mit vermehrten Abschiebungen und freiwilligen Rückführungen sollen Informationskampagnen in den Balkan-Staaten begleitet werden. Im Frühjahr habe man auf diese Weise die tägliche Ankunft aus dem Kosovo von 1500 unter 50 drücken können, sagte Schmidt.

Nach Angaben von Innenminister Ralf Jäger (SPD) treffen derzeit jeden Tag 1000 Flüchtlinge in NRW ein. In diesem Jahr seien schon knapp 90.000 Menschen gekommen (im ganzen Jahr 2007 waren es 5400 Asylbewerber). Zu einem Zwischenfall kam es gestern in Grevenbroich. Dort trafen am Abend 85 Flüchtlinge ein; innerhalb von 24 Stunden hatte die Stadt zwei Notunterkünfte geschaffen.

Verfolgt wurde die Ankunft der Flüchtlinge von fünf jungen Männern, die von der Polizei der rechtsradikalen Szene zugeordnet werden und überprüft wurden. "Sie sind uns bekannt und stammen zum Teil aus dem Rhein-Kreis Neuss", sagte eine Polizeisprecherin. Es seien Platzverweise erteilt worden, "um jegliche Provokation zu vermeiden". Auch der Staatsschutz wurde informiert.

NRW: Hier kommen die Flüchtlinge als erstes an
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Foto: dpa, ude htf bwe

Über die Unterbringung der Asylbewerber streiten Bund und Land. Auf der Suche nach Unterkünften setze NRW jetzt verstärkt auf "unorthodoxe Lösungen" wie Großzelte und Zelthallen, sagte Minister Jäger. Der Bund müsse mehr eigene Immobilien, vor allem Kasernen, zur Verfügung stellen und solle eine Pauschale pro Flüchtling übernehmen - "das würde die kommunalen Haushalte sofort entlasten".

Auch der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Christoph Strässer, sieht in einer solchen Pauschale eine "echte Entlastung für die Bundesländer". Wenn der Bund sich noch stärker als bisher an der Finanzierung beteilige, sei das auch "ein klares Signal gegen all die kurzsichtigen Kommentare und Proteste aus dem rechten Milieu", sagte Strässer unserer Redaktion.

Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Günter Krings (CDU), warf Jäger vor, es sich zu leicht zu machen. Die Unterbringung der Flüchtlinge sei Ländersache; gleichwohl lasse der Bund Länder und Kommunen nicht im Stich. "Ich glaube, dass NRW mit seinen Forderungen nur von eigenen Versäumnissen ablenken will", sagte Krings. Er warf der Landesregierung vor, nicht beizeiten für ausreichend Unterkünfte gesorgt zu haben. Der Ausbau der Landeseinrichtungen wie in Mönchengladbach erfolge zu schleppend.

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Strässer mahnte noch für diese Wahlperiode einen Durchbruch beim Einwanderungsgesetz an. "Das ist wichtig, um den Zustrom von Menschen aus dem Ausland besser lenken zu können und Druck aus den ohnehin überlasteten Asylverfahren zu nehmen", sagte der SPD-Politiker. Die Kanzlerin müsse sich in der Frage jetzt bewegen und die Union auf Kurs mit dem Koalitionspartner SPD bringen. "Ansonsten wird es keinen Fortschritt geben", warnte Strässer.

Derweil spitzt sich die Situation am Eingang des Eurotunnels von Frankreich nach Großbritannien zu. Gestern wurde dort ein Sudanese von einem Lkw überfahren. Nach Behördenangaben ist das bereits der neunte Flüchtling, der seit Anfang Juni bei dem Versuch starb, durch den Tunnel nach Großbritannien zu gelangen.

(jd /may-)
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