Diskussion um den Stärkungspakt Wie arme Städte Geld verschwenden

Düsseldorf · Der Streit um den Stärkungspakt wird schärfer. Empfänger-Kommunen wie Essen, Duisburg und Oberhausen leisten sich teure Messe-Neubauten, Ökostrom und Kraftwerksbetreiber. Der Düsseldorfer Oberbürgermeister protestiert.

Die Empfänger-Kommunen im Stärkungspakt Stadtfinanzen haben verzichtbare Kosten in Millionenhöhe. Städte wie Essen, Bottrop und Herne leisten sich Ökostrom, prachtvolle Messe-Umbauten, ein neues Fußballstadion und die Kampagne "Fair Trade Towns", die den sozialen Handel mit Entwicklungsländern fördert.

"Es ist nicht vermittelbar, dass die Düsseldorfer Bürger jetzt auch noch die Ökostrom-Mehrkosten in anderen Städten bezahlen müssen", sagt dazu Dirk Elbers (CDU). Für den Düsseldorfer Oberbürgermeister zeigt das Beispiel, dass die Schieflagen der Defizitkommunen "zum Teil auch selbst gemachte Ursachen haben".

Nach dem Stärkungspaktgesetz der NRW-Landesregierung müssen die steuerstarken Kommunen des Landes jährlich knapp 182 Millionen Euro an ärmere Städte abführen. Düsseldorf zahlt im kommenden Jahr 26,98 Millionen Euro, Essen erhält 55,18 Millionen Euro.

In Essen fließt das Geld unter anderem in einen Ökostrom-Tarif, der 133.000 Euro Aufpreis kostet. Auch die Empfänger-Kommune Herne leistet sich teilweise Ökostrom. Jährliche Mehrkosten: 27 700 Euro. Bottrop setzt sogar komplett auf Ökostrom, kann die Mehrkosten aber nicht berechnen.

Zweifel am Nutzen von Ökostrom

Wie viel eine kommunale Komplett-Versorgung mit Ökostrom kostet, weiß aber Bochum: Die Opel-Stadt, die im Gegensatz zu Herne kein Geld aus dem Stärkungspakt bezieht, zahlt dafür jährlich 1,8 Millionen Euro mehr, als ein normaler Stromtarif kosten würde.

Der Städte- und Gemeindebund NRW findet das richtig: "Grundsätzlich stehen die Kommunen aktiv für die Energiewende ein", sagt Sprecher Martin Lehrer, "das heißt: Sie erzeugen selbst regenerative Energie oder kaufen sie zumindest ein, etwa in Form von Ökostrom."

Hildegard Müller, Hauptgeschäftsführerin beim Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW), bezweifelt hingegen den Nutzen: "Wir haben einen Anteil von 23 bis 25 Prozent regenerativer Energien im Strommix, mehr Ökostrom kann auch nicht verkauft werden." An den längst ausgehandelten Zielen der Energiewende würden die Ökostrom-Tarife nichts ändern.

Auch den Neubau des Essener Fußballstadions müssen die Geber-Kommunen indirekt mitbezahlen. Essen stellte dafür 27,9 Millionen Euro bereit, die jetzt an anderer Stelle fehlen. Das Stadion fasst 20.000 Besucher. Kritiker halten es für viel zu groß.

Die Stadt räumt ein: "In der letzten Saison hatte der Hauptmieter Rot-Weiss Essen im Schnitt gut 8000 Zuschauer." Als Nächstes will die Stadt ihre Messe für 123 Millionen Euro umbauen. Dafür zahlen Kommunen wie Düsseldorf ebenfalls indirekt mit. Pikant: Die Messe in Düsseldorf ist direkter Wettbewerber der Messe in Essen.

Zaun aufgebaut - Zaun abgebaut

Für ihre Beteiligung an der Kampagne "Fair Trade Towns" stellt Essen Verwaltungskapazitäten ab, deren Kosten sie nicht beziffern will. Jedenfalls wird im Essener Rathaus jetzt nur noch fair gehandelter Kaffee ausgeschenkt.

Die Empfänger-Kommunen Hagen und Remscheid haben Millionen mit Zinswetten verzockt. Hagen kaufte Ende 2011 für 15.000 Euro einen Zaun. Der sollte eine Schulfassade vor Graffiti schützen. Weil er nicht wirkte, ließ Hagen ihn für weitere 5000 Euro wieder abbauen

Fast zeitgleich kauften sich die späteren Empfänger-Kommunen Essen, Duisburg und Oberhausen zusammen mit vier weiteren Stadtwerken für 650 Millionen Euro beim Steag-Konzern ein. Steag verstromt Kohle. Diese Art der Stromerzeugung ist der große Verlierer der Energiewende. Auch dieses Risiko müssen Geber-Städte wie Düsseldorf über den Stärkungspakt jetzt mittragen.

Oberbürgermeister Dirk Elbers versteht das nicht: "Wir haben in Düsseldorf vor acht Jahren unsere RWE-Aktien verkauft und uns mit dem Verkaufserlös entschuldet. Warum soll der Erfolg dieser Politik jetzt zur Finanzierung der gegenteiligen Politik in Duisburg beitragen?"

(RP)
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