Ein Treffen mit Karl Oost Wie wird ein Münchener Präsident eines Kölner Karnevalsvereins?

München · Karl Oost ist Münchener, und er ist Präsident eines Kölner Karnevalsvereins. Wie passt das zusammen? Wir haben den 46-Jährigen getroffen.

 Karl Oost auf der KMKV-Karnevalsfeier in München 2017.

Karl Oost auf der KMKV-Karnevalsfeier in München 2017.

Foto: KMKV

Manchmal ist Heimat ein Schluck Bier. Karl Oost zum Beispiel nimmt an diesem Abend in der Münchener Kneipe "Bohne und Malz" einen großen Schluck Weizen. Das wäre an sich nichts Besonderes, wäre der Münchener nicht der Präsident eines Kölner Karnevalsvereins. Dem Mann fehlt neben einem Glas Kölsch auf den ersten Blick alles, was einen typischen Kölner ausmacht: der Schnäuzer, der kölsche Akzent, die Abneigung gegen Düsseldorfer.

Der Verein, der den 46-Jährigen vor bald sieben Jahren an seine Spitze gewählt hat, nennt sich "Köln Münchener Karnevalsverein Superjeilezick" (KMKV) — mit mehr als 300 Mitgliedern ist er einer der größten seiner Art außerhalb von Köln. Superjeilezick, das heißt frei übersetzt: An unsere Probleme denken wir frühestens übermorgen wieder. Es ist aber auch die Sehnsucht nach einem Gefühl, das es so in München nicht gibt.

Man könnte meinen, Karl Oost wurde die Liebe zum rheinischen Karneval in die Wiege gelegt. Sein Vater kommt aus Köln, erzählt er mit bayerischem Akzent, doch besonders jeck ist der Vater nicht. Immerhin, wenn in der ARD der Sitzungskarneval oder der Rosenmontagszug gezeigt wurde, lief bei der Familie der Fernseher. Und da hörte der junge Karl Oost sie zum ersten Mal: die Bläck Fööss.

Im Lied "Ming eetste Fründin" sangen sie von "Meier‘s Kättche", erinnert sich Oost. Was muss die Familie gelacht haben, als er, der kleine bayerische Junge, in den nächsten Tagen durch die Wohnung tanzte und von "Meier's Ketchup" sang. "Mein Vater hat mich dann aufgeklärt, dass es um eine Frau namens Katharina ging", sagt Oost heute lachend. Von da an brachten die Verwandten aus Köln immer die neuen Fööss-CDs mit nach München, die der junge Oost dann "bis zum Umfallen" hörte. "Ich kann noch heute Lieder singen, die nicht jeder Kölner kennt", sagt er, und man merkt ihm den Stolz an.

 Karl Oost (r.) mit Peter Brings, Sänger der Band Brings.

Karl Oost (r.) mit Peter Brings, Sänger der Band Brings.

Foto: KMKV

Dass es inzwischen den KMKV gibt, haben die Münchener einigen großen Unternehmen aus dem Rheinland zu verdanken, indirekt zumindest. Ende der Neunzigerjahre, erklärt Karl Oost, hätten Versicherungen und Unternehmensberatung aus Köln und Umgebung viele Leute für längerfristige Projekte nach Bayern geschickt. "Wie die Kölner so sind: Die rotten sich in nullkommanix zusammen", sagt er schmunzelnd. Eine Kneipe am Viktualienmarkt habe damals Kölsch ausgeschenkt und dort traf man sich. Als man den Wirt überredete, die CDs mit rheinischer Musik einzulegen, entwickelte sich aus dem Stammtisch eine Partyreihe. Den "Kölschen Abend" gibt es in München bis heute jeden Monat.

Aus alldem ging 2001 der Köln Münchener Karnevalsverein hervor. Was genau Köln ist, das sehen die Münchener Jecken nicht so streng. "Alles bis 80 Kilometer rund um die Stadt gilt bei uns als Köln", sagt Oost — auch ein paar Düsseldorfer sind im Verein, und es scheint gut zu klappen. Neben Oost gibt es nur einige wenige Bayern, die den rheinischen Karneval meist während eines Studiums im Rheinland kennengelernt hatten. Viermal im Jahr treffen sich die Jecken zum Stammtisch, am Jahresanfang macht die Kölner Mitsingveranstaltung "Loss-mer-singe" Halt in München und wenige Wochen vor Rosenmontag feiern sie ihren Kostümball. Am Karnevalssonntag läuft ein Teil des Vereins beim Umzug in Köln-Brück mit.

Und in München? Karl Oost sagt, er habe es mit dem bayerischen Fasching zumindest mal versucht. Das Problem: "Da passiert einfach nichts!" Er sagt es mit hochgezogenen Augenbrauen. Nur zwei Mal ist sein Verein beim Umzug in der Münchener Innenstadt mitgelaufen. Beim ersten Mal seien sie die Einzigen gewesen, die Kamelle mit vollen Händen geschmissen haben — "und nicht jedes Bonbon einzeln". Beim zweiten Mal hat der Verein sogar einen ganzen Spielmannszug aus Köln einfliegen lassen und die bayerischen Narren um einen guten Platz für die Gruppe gebeten. "Vor uns fuhr dann aber ein Wagen, der lautstark DJ Ötzi spielte, hinter uns kam die Kehrmaschine."

 Karl Oost in Köln beim Umzug in Köln-Brück.

Karl Oost in Köln beim Umzug in Köln-Brück.

Foto: KMKV

Den Moment, in dem die Superjeilezick zum vielleicht ersten Mal in München spürbar war, nennt Oost heute das "Urknallerlebnis". Es war im Jahr 2004 als drei Mitglieder der Bläck Fööss — also gerade einmal die halbe Band — vor 150 Rheinländern in München spielten. "Ich habe noch nie so viele erwachsene Leute heulen gesehen", sagt Oost. Auch er selbst musste weinen, vor Rührung, vor Freude und vor allem, weil dieses kölsche Gefühl plötzlich mitten in der bayerischen Landeshauptstadt war.

Auch die Kölner Band ist von der Reaktion des Publikums überwältigt, die ganz spezielle Stimmung in München spricht sich in der Szene schnell herum. Die Paveier kommen im Jahr darauf, Brings planen inzwischen alle zwei Jahre ein Konzert in München und die Jungs von Kasalla kennt Oost nun so gut, dass er an Weiberfastnacht schon im Bandbus von Termin zu Termin mitfahren durfte. Seit einigen Jahren sorgt der Bayer sogar selbst für Musik: Am Karnevalswochenende legt er Musik in Kölner Kneipen auf.

Und so ist der Bayer heute kölscher als viele Kölner. Aus München, sagt er und trinkt sein Weizen aus, will er nicht mehr weg. Doch jedes Mal, wenn Oost mit dem Zug über den Rhein in die Domstadt einfährt und am Hauptbahnhof ankommt, gibt es für ihn nur einen Weg: ins Brauhaus. Dann steht er an der Theke und nimmt einen großen Schluck Kölsch. "Die Stadt und das Bier, das gehört für mich zusammen", sagt er. Es ist oft das Bier, das die Heimat ausmacht. Karl Oost hat zwei davon.

(mre)
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