Dormagener kämpft um seinen Traum Wie groß muss ein Polizist sein?

Dormagen · Nur weil Marcel K. aus Dormagen etwa zwei Zentimeter zu klein ist, will ihn die NRW-Polizei nicht haben. In 14 anderen Bundesländern wäre seine Größe kein Problem. Experten fordern, dass die NRW-Regelung auf den Prüfstand kommt.

Wie groß muss ein Polizist sein?
Foto: Ferl

Marcel K. hat einen Traum: Er will von Beruf Polizist werden - und das möglichst in Nordrhein-Westfalen. Die schulischen und sportlichen Voraussetzungen dafür erfüllt der 19-jährige Zweier-Abiturient aus Dormagen problemlos. Die ärztlichen Tests hat er ebenfalls alle bestanden. Doch weil er angeblich nur 165,4 Zentimeter groß ist, will ihn die NRW-Polizei nicht haben. Denn die Einstellungskriterien schreiben in NRW vor, dass männliche Polizisten eine Mindestkörpergröße von 1,68 Meter haben müssen.

"Sie haben mir dazu erklärt, dass die Ausrüstung, die ein Polizist beim Einsatz mit sich führt, für meine Körpergröße zu schwer sein könnte", sagt Marcel. Eine Begründung, die für ihn nicht nachvollziehbar sei, da Frauen für den Polizeidienst eine Mindestgröße von nur 1,63 Meter haben müssen. "Sie sind also kleiner als ich, müssen aber genau dasselbe Gewicht tragen, das man mir nicht zutraut", sagt der 19-Jährige.

Marcel K. will sich nun bei der Polizei in Rheinland-Pfalz bewerben. Und er hat gute Chancen, genommen zu werden. Denn dort reicht es aus, 1,62 Meter groß zu sein. Auch in allen anderen Bundesländern - bis auf Niedersachsen - würde seine Größe genügen. In Bayern sind 1,65 Meter vorgeschrieben, in Baden-Württemberg sind sogar nur 1,60 Meter nötig. Die Bundespolizei und das Bundesland Bremen haben die Mindestgröße sogar schon ganz abgeschafft. Damit wolle man, erklärt Friedrich-Wilhelm Britt von der Bundespolizeiakademie in Lübeck, einer größeren Anzahl an Bewerbern den Zugang zum Auswahlverfahren ermöglichen. "Ob die Bewerber für den Polizeivollzugsdienst geeignet sind, wird im Auswahlverfahren dann im Rahmen der Bestenauslese festgestellt", so Britt.

Volker Huß, langjähriger Ausbildungsleiter an der Polizei-Fachhochschule in Ostwestfalen und Vorstandsmitglied der Gewerkschaft der Polizei (GdP), bezeichnet die bundesweit uneinheitlichen Einstellungsvoraussetzungen als "völligen Wildwuchs". Sie seien zum Teil nicht nur für Außenstehende kaum noch nachvollziehbar. "Auf den einen oder anderen Zentimeter kommt es meiner Meinung nach nicht an. Wichtig ist, dass man die erforderliche körperliche Fitness hat", sagt er. Huß regt deshalb eine Härtefall-Klausel in NRW für Bewerber an, die ein bisschen unter dem Mindestmaß liegen, ansonsten aber alle Voraussetzungen erfüllen. "Diese sollten dann zum Ausgleich etwa ein besonderes Schwimmabzeichen vorweisen", so Huß.

Die Polizei in NRW benötigt gerade jetzt besonders viele junge, motivierte Menschen mit Abitur wie Marcel K. Denn das Land will die Einstellungszahlen bei der Polizei jährlich um mindestens 300 Stellen auf 2300 Kommissaranwärter erhöhen. Schon aus diesem Grund müsse die Regelung auf den Prüfstand, fordert Erich Rettinghaus, NRW-Vorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft (DpolG). "Auch meine Kollegen sprechen mich an, weil ihre Kinder gerne zur NRW-Polizei wollen, aber das Mindestmaß nicht erfüllen", sagt Rettinghaus. Auch er meint: "Auf zwei, drei Zentimeter kommt es nun wirklich nicht an. "

Das zuständige Landesamt für Ausbildung und Fortbildung sieht das anders. "NRW hält an der Mindestgröße aus Fürsorgegründen fest", sagt Behördensprecher Victor Ocansey. Doch möglicherweise könnte ein Gericht die Regelung bald kippen. Vor dem Oberverwaltungsgericht (OVG) ist derzeit ein entsprechendes Verfahren anhängig. Kläger ist ein Bewerber, der - wie Marcel K. - wegen seiner Größe abgelehnt wurde. Deshalb ließ das Land von der Deutschen Sporthochschule Köln ein Gutachten anfertigen, das die Wichtigkeit der Mindestgröße wissenschaftlich untermauern sollte. Das Ergebnis: Ab einer Körpergröße von 1,63 Meter ist die Polizeidiensttauglichkeit gesichert. Wann mit einem Urteil zu rechnen ist, steht noch nicht fest.

Marcel K. möchte aus Überzeugung Polizist werden. "Ich kann auf diese Weise einen wichtigen Beitrag für die Gesellschaft leisten", sagt er. Beworben hat er sich auch bei der Bundespolizei, wo ihn der zuständige Arzt größer gemessen habe als der bei der NRW-Polizei. "Einige Messungen sind zu dem Ergebnis gekommen, dass ich 1,66 bis 1,67 groß bin", sagt er. Auch Mitbewerber hätten ihm erzählt, dass sie in NRW kleiner gemessen worden seien. Obwohl Marcel K. die Mindestgröße für den Polizeidienst in NRW nicht erfüllt, kann er später als Polizist in NRW arbeiten. "Ich kann mich zwei Jahre nach meiner Ausbildung nach NRW versetzen lassen." Rettinghaus bestätigt das: "Der Länderwechsel ist möglich. Manche nutzen diese Hintertür. Aber das zeigt, wie absurd die Regel mit der Mindestgröße in NRW ist."

(csh)
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