Geschichten aus der Region Wir sind verliebt in den Mai

Düsseldorf · Ein hartnäckiger Verehrer, ein Maibaum auf dem falschen Dach und natürlich die Liebe, die sich beim Tanzen angebahnt hat - der Mai bringt viele Geschichten. Hier erzählen wir fünf Geschichten aus unserer Region.

In Nettetal-Breyell war der 30. April in den 70er Jahren "für uns Burschen eine wilde Zeit", sagt Willi Renkens (63). Die Junggesellen richteten den Maibaum auf und entzündeten das Maifeuer. Später bekamen die Angebeteten ein Bäumchen in den Kamin gesteckt. "Interessant wurde es ab Mitternacht", sagt Renkens. Denn dann schauten die Männer, ob nicht irgendwo ein Maibaum zu stehlen wäre. "Sägen und Äxte hatten wir auf unserem Trecker mit Anhänger dabei, aber meist waren die Bewacher so aufmerksam, dass wir nicht zum Zuge kamen." In Brüggen-Bracht stießen sie aber auf ein prächtiges und unbewachtes Exemplar. "Beim ersten Schlag wussten wir, warum niemand da war: Es war ein alter Stahlmast." Aber noch war niemand müde, und so tuckerte die Truppe heim, lud einen Schweißbrenner auf und fuhr wieder zurück. "In weniger als einer Minute lag der Maibaum vor unseren Füßen und war bereit zum Abtransport." In Breyell wurde der Baum aufgebaut, dann wurden alle Nachbarn aus dem Haus geklingelt, denn solch eine Aktion macht hungrig und durstig. "Wir hatten Butter, Speck und Eier, aber leider keine Pfanne", so erinnert sich Renkens. Auf dem Spaten wurden dann die Sachen gebraten, beim Kauen habe es ziemlich geknirscht.

Die Tat ist längst verjährt, die Traueranzeige der Nachbarschaft, in der es heißt "Plötzlich und unerwartet wurde unser Maibaum geklaut", besitzt Willi Renkens immer noch. (mso)

Selbst heute noch erzählt die Familie Paul sich jedes Jahr am 30. April von der besonderen Bedeutung des Tanz' in den Mai im Jahr 1970. Es war im Ratskeller in Mönchengladbach-Giesenkirchen (damals noch Rheydt-Giesenkirchen), wo die junge Verkäuferin Brigitte allein auf einem Stuhl auf der Empore saß. Sie war mit ihrer Schwester und deren Freund gekommen. Ein junger Mann, Hans, kannte die Schwester vom Sehen und kam, um Hallo zu sagen. Und dann sah er Brigitte und forderte sie kurzerhand zum Tanzen auf. "Zu 70er-Jahre-Schlager-Musik war das", erinnert sich die 66-Jährige. "Irgendwann sind wir dann draußen Luft schnappen gegangen. Und da gab es auch schon ein erstes Küsschen." Liebe auf den ersten Blick sei es gewesen, die Hochzeit fand bereits ein gutes Jahr später statt. "Wir hatten es sehr eilig", sagt sie schmunzelnd. Seit dem 1. Mai 1970 tanzte das Paar nun jedes Jahr an seinem Kennenlerntag in den Mai. "Wir haben die umliegenden Dörfer abgeklappert", sagt sie. Nur am 30. April 1977 konnten sie nicht Tanzen gehen, denn da kam Volker dazwischen, der zweite Sohn des Paares - "unser Tanz-in-den-Mai-Kind"!

38 Jahre waren Hans und Brigitte Paul verheiratet, 2009 starb ihr Mann. Zum Tanz in den Mai geht sie nicht mehr, doch feiert sie morgen mit Volker dessen 40. Geburtstag. (mre)

An einen ganz besonderen 1. Mai erinnert Gabriele Lins sich heute noch gerne zurück: Es war vor gut zehn Jahren, damals war sie Ende 60, als ihr Mann Günter zu ihr sagte: "Ich sollte dir wirklich einen Maibaum aufs Dach setzen, das wäre doch ein toller Gag, nicht wahr?" Gabriele Lins hielt es für einen Scherz und hatte die Idee schnell vergessen. Wohl aber wunderte sie sich, dass am 1. Mai immer wieder Passanten an ihrem Küchenfenster vorbeikamen und nach oben schauten. Als dann auch ihr Nachbar schmunzelnd im Vorgarten stand, hakte sie nach: "Haben wir Störche auf dem Dach?" Kurzerhand sah die Dormagenerin selbst nach und entdeckte auf dem Dach ein zartes Birkenbäumchen, an dem rote Stoffstreifen flatterten. Ihre Überraschung war groß: "Mein Mann hat mir nie verraten, wie er das gemacht hat", erzählt die 79-Jährige heute. Doch das hat sie nie gestört, so groß war ihre Freude. Schon in Jugendjahren hat sich das Paar kennengelernt, heiratete und feierte sogar goldene Hochzeit. Es hat drei Kinder, vier Enkel und sogar ein Urenkelchen. Im vergangenen Jahr ist Günter Lins verstorben.

Besonders verdutzt habe damals Enkelin Anna auf die Birke reagiert: "Maibäume bekommen doch nur die jungen Mädchen, und in eurem Haus wohnt nur ihr." Liebesbeweise zum 1. Mai kennen eben kein Alter. (ubg)

Den ersten Maibaum bekam Elke Bongartz 1979 mit 16 Jahren. Ihr Freund Manfred kam mit seinem alten Kadett angebraust, Kumpel Dietmar musste erst beim Fällen Schmiere stehen und dann - durch das offene Seitenfenster - den auf dem Dach befestigten Baum festhalten. In Neuss-Furth angekommen wurde der Baum in den Vorgarten gesetzt. "So hätte ich ihn vom Fenster aus am Morgen auch direkt sehen können", sagt die heute 54-Jährige. Die Betonung liegt auf "hätte". Denn ihr Vater entfernte den geschmückten Birkenstamm sofort. Doch mit der Liebe wuchs auch die Größe der Maibäume: Im nächsten Jahr befestigte Manfred den Baum an der Regenrinne - "in der Hoffnung, dass dort mein Vater nicht herankommen würde", sagt Elke Bongartz. Doch auch dieser Baum verschwand noch vor Sonnenaufgang, wie jene in den folgenden Jahren an und auf der Garage. "Mein Vater war wohl eifersüchtig und fand mich zu jung für einen Freund", stellt die Neusserin fest. Die Mühe war aber nicht vergeblich. "Wir sind seit 30 Jahren glücklich verheiratet, haben zwei wunderbare Söhne, die diesen schönen Brauch fortführen und verfeinern." Ihre Söhne Patrick und Pascal schenkten mit Cousins im vergangenen Jahr ihrer Oma ein Maiherz. Sie hat sich sehr darüber gefreut, denn sie hatte noch nie einen Maibaum bekommen. (mso)

Am Morgen des 1. Mai hatte Jutta Jansen oft Anlass zur Freude. "Ich habe schon einige Maibäume in meiner Jugend bekommen", erinnert sich die Mönchengladbacherin (70). Nur nicht im Jahr 1955, da spähte die damals 16-Jährige vergeblich aus dem Fenster. Dann sah sie aber doch ein buntes Kreppband um die Hausecke flattern. "Meine Freundin im Nebenhaus stand auf dem Bürgersteig und schaute begeistert zu einem Birkenbäumchen mit herrlichen Bändern, das bis zur Dachrinne reichte", so erinnert sie sich. Die Freundin konnte ihr Glück kaum fassen, wusste aber nicht, wem sie den Liebesgruß zu verdanken hatte.

Am späten Nachmittag klingelte dann das Telefon, ein Anruf für Jutta. "Mein Verehrer erkundigte sich, wie mir denn die Überraschung gefallen habe", erzählt sie. Nur welche Überraschung? Natürlich der Maibaum, beteuerte der junge Mann, den er - wie er versicherte - mit viel Mühe und Unterstützung seiner Freunde in der Nacht am Dach befestigt habe. Wie sich schnell herausstellte, hatte er sich leider im Haus geirrt. "Wir wohnten in einer Reihenhaussiedlung, das kann ja leicht passieren - erst recht, wenn die Männer einen im Kahn hatten", sagt Jutta Jansen schmunzelnd. In der Nacht zum 2. Mai bekam sie dann ihren Maibaum doch noch. Der Verehrer im zweiten Anlauf konnte bei ihr aber nicht landen. Im Studium lernte sie ihren Mann Rolf kennen. Seit 46 Jahren sind die beiden nun verheiratet. (mso)

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