NRW ist "Paradies für Clanbosse" Wo die Mafia ihr Geld verdient

NRW ist "Paradies für Clanbosse" · Am Mittwoch debattiert der Düsseldorfer Landtag über die Aktivitäten der Mafia in NRW. Im neuen Buch eines italienischen Experten werden Stützpunkte in 13 Städten genannt. Unterschätzen die Fahnder die Bedrohung?

Mafiamorde: Festnahmen in NRW und Italien
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Mafiamorde: Festnahmen in NRW und Italien

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Foto: AP

Laura Garavini ist eine mutige Frau. Die Politologin, die aus Norditalien stammt, ist die Sprecherin der Initiative "Mafia? Nein Danke!" in Deutschland. "Nordrhein-Westfalen ist ein Paradies für die Clanbosse", beklagt die 43-Jährige. "Die Mafia fühlt sich hier wohl, weil sie unterschätzt wird", sagt Garavini.

Bereits vor der Debatte im Landtag kritisiert die Opposition, dass die Landesregierung zu wenig gegen die Organisierte Kriminalität unternehme. Mafia-Expertin Garavini teilt diese Einschätzung. "Die Bosse werden eine Flasche Champagner vor Freude öffnen, wenn sie lesen, wie die Ermittler die Bedrohung einschätzen. Das wirkt wie eine Einladung, aktiv zu werden. Sie finden paradiesische Verhältnisse vor."

Das Landeskriminalamt in Düsseldorf sieht keine Anhaltspunkte dafür, dass sich die Aktivitäten der Mafia in NRW von denen in anderen Bundesländern unterscheiden. 2008 wurde lediglich gegen vier mutmaßliche Mafiosi ermittelt. Dabei sollen nach Erkenntnissen des italienischen Buchautors Francesco Forgione rund 30 italienische Restaurants von 'Ndrangheta, Cosa Nostra und Camorra kontrolliert werden. In seinem neuen Buch "Mafia Export" lokalisiert er unter Berufung auf italienische Ermittlungsakten Stützpunkte in Arnsberg, Bochum, Detmold, Duisburg, Düsseldorf, Essen, Kaarst, Köln, Krefeld, Mülheim, Münster, Oberhausen und Siegburg.

NRW sei vor allem wegen der Lage im Zentrum Europas ein idealer Standort der Mafia, stellt auch Laura Garavini klar. Die Nachbarschaft zu Holland und Belgien erleichtere den Drogenhandel. Zudem gebe es in NRW gewachsene Clan-Strukturen. Immer wieder könnten Mafiosi, als harmlose Kellner getarnt, Unterschlupf finden.

In der Nacht zum 15. August 2007 waren vor dem italienischen Restaurant "Da Bruno" in Duisburg sechs Italiener von zwei Männern erschossen worden. Als Haupttäter gilt Giovanni Strangio, der vor der Tat in Kaarst zwei Pizzerien hatte. Hintergrund der Morde war eine Fehde zwischen zwei verfeindeten Familien der 'Ndrangheta.

Die Eintreiber der Mafia kommen meist zu zweit und schwer bewaffnet zu den Opfern. Oft werden die Erpressungen als Spendenaktion getarnt. "Die Mafiosi geben vor, Geld für inhaftierte Verwandte zu sammeln", weiß Laura Garavini. Auch deutsche oder türkische Gastronomen, deren Lokale einen italienischen Namen führen, würden unter Druck gesetzt. Zuletzt war in Berlin das Restaurant eines Zahlungsverweigerers in Brand gesetzt worden.

Nach Einschützung des SPD-Innenexperten Karsten Rudolph breitet sich vor allem die als besonders brutal geltende 'Ndrangethta in NRW "krakenartig" aus. Der Bochumer verlangt eine "Qualitätsoffensive" im Kampf gegen die Mafia. NRW-Innenminister Ingo Wolf (FDP) habe die Behörden angewiesen, sich auf den Kampf gegen die Massen- und Straßenkriminalität zu konzentrieren, um die Fallzahlen zu senken. An zeitintensiven Mafia-Ermittlungen habe er kein Interesse. Notwendig sei, den Fahndern die Möglichkeit zur akustischen und optischen Wohnraumüberwachung einzuräumen. "Nur so geben wir der Polizei die Möglichkeit, die dicken Fische ins Netz zu bekommen."

Längst verfügt die kalabresische Mafia über moderne Holding-Strukturen und Kommunikationsmethoden. In der Reisetasche einer Frauengruppe aus San Luca, die die untergetauchten mutmaßlichen Mörder von Duisburg in Amsterdam besuchte, wurde neben kalabresischen Spezialitäten ein Laptop mit einer abhörsicheren Skype-Verbindung gefunden.

(RP)
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