Ungerechte Verteilung Zank um Erfüllung der Flüchtlings-Quoten in NRW

Düsseldorf · Offenbar verläuft die Zuweisung der Flüchtlinge an die Städte in NRW äußerst ungerecht, wie neue Zahlen der Bezirksregierung Arnsberg, die unserer Redaktion vorliegen, zeigen. Einige Kommunen bekommen wesentlich mehr Flüchtlinge zugewiesen, als sie aufnehmen müssten.

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In Weeze zum Beispiel lebten der "Verteilerstatistik November 2015" zufolge zuletzt 737 Flüchtlinge oder 384 Prozent über Plan. Umgekehrt gab es in Duisburg 2813 Flüchtlinge weniger als geplant - die Stadt blieb fast 41 Prozent unter ihrem Soll.

Die Bezirksregierung Arnsberg ist landesweit für die Verteilung entsprechend eines vorgegebenen Schlüssels zuständig, der unter anderem die Bevölkerungsgröße der jeweiligen Zielgemeinde berücksichtigt. Sie wiederum untersteht dem NRW-Innenministerium. Mit Duisburg bleibt ausgerechnet die politische Heimat von NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) weiter hinter dem Verteilungsschlüssel zurück als fast jede andere NRW-Kommune: nur Niederkrüchten liegt mit 50,97 Prozent Aufnahmequote (aufgenommene Flüchtlinge im Verhältnis zum Soll) dahinter. Will Jäger seine Heimatstadt schonen?

Innenminister Jäger erklärte unserer Redaktion dazu: "Die Verteilung der Flüchtlinge auf die Kommunen wird von der zuständigen Bezirksregierung eigenverantwortlich und ohne Einfluss des Innenministeriums vorgenommen. Dies geschieht nach einem Verteilungsschlüssel, der eine gleichmäßige Verteilung auf die Kommunen vorsieht. Alle Kommunen müssen ihre Quote erfüllen."

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Die Bezirksregierung Arnsberg teilte mit, die Zahlen seien nicht aktuell, weil "die Zuweisungsquote erheblichen täglichen Veränderungen" unterliege. Aktuellere Zahlen, die um Schwankungen bereinigt wären, bot die Behörde nicht an.

"Wir wollen die Quote erfüllen", sagt ein Sprecher der Stadt Duisburg, "aber wir haben weniger Plätze als Zuweisungen zur Verfügung". Es gebe schlicht nicht genug Wohnungen. Zwar stelle das Land Finanzmittel zur Verfügung. Aber es fehle an Zeit, den Wohnraum zu identifizieren und herzurichten. Auch, weil es in Duisburg rund 30 so genannte Störfallbetriebe wie etwa Chemiefabriken gibt, in deren Nähe im Umkreis von 400 bis 2000 Metern zu deren Schutz keine Flüchtlinge untergebracht werden dürfen. "Keine andere Stadt hat so viele dieser Störfallbetriebe", sagt der Sprecher.

Auffallend ist auch, dass die kleinen und mittleren Kommunen in NRW die Quote des Landes fast immer erfüllen, während die großen kreisfreien Städte meistens darunter liegen. So kommt Köln nur auf eine Quote von 61 Prozent, Wuppertal auf 63 Prozent und Rheinberg auf 60 Prozent. Derweil liegen die Quoten in Monschau bei 312 Prozent, in Hövelhof bei 290 Prozent und in Kerken bei 262 Prozent. Das erklärt die Bezirksregierung durch eine statistische Verzerrung, die durch ebenfalls mit eingerechnete zentrale Landeseinrichtungen zur Erstaufnahme von Flüchtlingen zustande kommt. Ein Sprecher des Städte- und Gemeindebundes sagte: "Kleinere Kommunen sind eben schneller überfüllt als die großen."

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Der kommunalpolitische Experte der CDU im Landtag, André Kuper, glaubt den Erklärungen nicht. "Diese Ungleichheit kann von uns als CDU-Landtagsfraktion nicht hingenommen werden, daher werden wir nachfassen und Aufklärung verlangen."

Anders geht das NRW-Handwerk mit der Krise um: Flüchtlinge sollten in Regionen gelockt werden, wo es viele Arbeitsplätze und Lehrstellen gibt, als starr nach Quoten verteilt zu werden, fordert der NRW-Handwerkstag. Gemeint ist, dass neue Bürger eher nach Ostwestfalen oder Münster ziehen sollen, wo die Arbeitslosigkeit niedrig ist und viele Handwerker Lehrlinge suchen.

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(RP)
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