Religiöse Patrouillen durch Wuppertal Zentralrat der Muslime schimpft auf "Scharia-Polizei"

Wuppertal · Radikale Islamisten spielen sich in Wuppertal als Ordnungshüter auf. Seit einigen Tagen laufen Männer mit orangen Warnwesten und der Aufschrift "Shariah Police" durch die Innenstadt der bergischen Metropole.

Die selbst ernannte Scharia-Polizei gibt sich selbstbewusst. In der Mitte: Sven Lau.

Die selbst ernannte Scharia-Polizei gibt sich selbstbewusst. In der Mitte: Sven Lau.

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Der Zentralrat der Muslime verurteilt die Aktion, Bundes- und Landesregierung wollen dagegen vorgehen.

Bundesinnenminister Thomas de Maizière zeigt sich kompromisslos.

Bundesinnenminister Thomas de Maizière zeigt sich kompromisslos.

Foto: ap, DS LB

Auf gelben Flyern erklären die Möchtegern-Polizisten Teile der Wuppertaler City zur "Scharia-kontrollierten Zone". Die Scharia ist das aus dem Koran abgeleitete "göttliche Recht". Auf Flugblättern fordern die radikalen Muslime Verhaltensregeln ein: Kein Alkohol, keine Drogen, keine Pornografie, kein Glücksspiel, keine Musik und keine Konzerte.

Von ihren nächtlichen Patrouillen haben die Salafisten ein Video ins Netz gestellt. "Es geht uns darum, ein gottgefälliges Leben zu führen", verkündet dort der bekannte Salafisten-Prediger Sven Lau. Inzwischen haben die Islamisten angekündigt, die Scharia-Polizei auch in anderen Städten einzusetzen. Auf der Straße und vor Diskotheken sprechen sie vor allem Jugendliche an, um sie dazu zu bewegen, zum Islam zu konvertieren und in die Moschee zu kommen. Als Reaktion darauf hat mittlerweile die echte Polizei ihre Präsenz in der Wuppertaler City verstärkt.

"Dulden keine illegale Paralleljustiz"

Der Zentralrat der Muslime verurteilte die Aktion in Wuppertal scharf. "Diese paar Halbstarken sprechen nicht in unserem Namen", sagte der Vorsitzende Aiman Mazyek dem "Tagesspiegel am Sonntag". "Diese Leute betreiben eine Zweckentfremdung unserer Religion. Sie schaden mit dieser schrillen und völlig unsinnigen Aktion den Muslimen ungemein."

Politiker zeigten sich über das neue Auftreten der Salafisten entsetzt, aber auch ratlos. Die Bundesregierung will das Auftreten selbsternannter "Scharia-Polizisten" in Deutschland nicht hinnehmen und dagegen vorgehen. "Die Scharia wird auf deutschem Boden nicht geduldet. Niemand darf sich anmaßen, den guten Namen der deutschen Polizei zu missbrauchen", sagte Innenminister Thomas de Maizière (CDU) der "Bild"-Zeitung.

Auch Justizminister Heiko Maas (SPD) betonte dort, Deutschland sei ein Rechtsstaat: "Für die Durchsetzung von Recht und Gesetz ist allein der Staat verantwortlich - keine selbsternannte "Scharia-Polizei". Klar ist damit auch: Eine illegale Paralleljustiz werden wir nicht dulden."

"Es gibt keine Legitimation für diese selbst ernannten Sittenwächter", empört sich NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD). "Wir werden nicht zulassen, dass extremistische Salafisten Andersdenkende auf offener Straße bedrohen und bedrängen." Und: Das Gewaltmonopol des Staates werde gegen diese Provokateure durchgesetzt und Straftaten von den Behörden "konsequent verfolgt".

Staatsanwaltschaft ermittelt

Doch so einfach ist das offenbar nicht. Zwar ermittelt die Wuppertaler Staatsanwaltschaft derzeit gegen elf Personen im Alter zwischen 19 und 33 Jahren. Der Grund: Verstoß gegen das Versammlungsgesetz. Doch rechtlich gebe es keine Handhabe, die Warnwesten sicherzustellen, erklärt ein Sprecher der Wuppertaler Staatsanwaltschaft. Denn das bloße Empfehlen religiöser Regeln sei nicht strafbar.

Derzeit werde aber juristisch geprüft, ob der Straftatbestand einer Nötigung vorliege, wenn junge Leute am Betreten von Diskotheken, Spielsalons und Sonnenstudios gehindert werden, so der Sprecher. "Ein Auftreten, das einschüchtert, verunsichert oder provoziert, wird nicht geduldet", versichert die Wuppertaler Polizeipräsidentin Birgitta Rademacher.

Die FDP-Opposition im Düsseldorfer Landtag wirft Jäger vor, "keine geeignete Gegenstrategie" zur Eindämmung des wachsenden Islamismus zu haben. "Dem Versuch der selbst ernannten Scharia-Polizei, Menschen in Deutschland ihre Werte aufzuzwingen, muss mit aller Entschiedenheit begegnet werden." Ins gleiche Horn bläst die CDU. Der Innenminister habe das zunehmende Salafisten-Problem an Rhein und Ruhr "nicht im Griff", beklagt der CDU-Innenpolitiker Theo Kruse.

5500 Salafisten in Deutschland

Derzeit gehen die Behörden von landesweit etwa 1500 extremistischen Salafisten aus; bundesweit wird deren Zahl auf 5500 geschätzt. "Nach jetzigem Stand ist zu vermuten, dass die Zahl auch 2014 weiter ansteigen wird", meint der Leiter des NRW-Verfassungsschutzes, Burkhard Freier. Dies bereite große Sorge, da Salafisten besonders junge Menschen in ihren Bann ziehen wollten.

Laut Verfassungsschutz sind bundesweit insgesamt 290 Personen nach Syrien ausgereist, um sich dort als "Gotteskrieger" ausbilden zu lassen oder selbst am Bürgerkrieg teilzunehmen. In NRW waren in den letzten beiden Jahren insgesamt 110 solcher Ausreisen registriert worden. Rund zwei Drittel der Ausgereisten blieben länger als vier Monate in den Kampfgebieten. Bisher liege die Zahl der nach NRW zurückgekehrten Dschihadisten "im einstelligen Bereich". Laut NRW-Innenministeriums werden in NRW derzeit 30 der landesweit 850 Moscheen vom Verfassungsschutz beobachtet. Etwa 20 Islam-Prediger stehen unter Beobachtung der Sicherheitsbehörden, weil sie als "Verführer" zum gewaltbereiten Salafismus gelten.

(KNA)
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