Neuss Polizist schießt randalierenden Patienten an

Neuss · Weil ein 33-Jähriger im Neusser Lukaskrankenhaus zwei Polizisten mit einer Glasflasche bedrohte, stoppten die Beamten den Mann mit einem gezielten Schuss. Nur wenige Kliniken beschäftigen eigene Sicherheitsdienste.

Mit einem gezielten Schuss ins Bein stoppten am Mittwochabend in einem Neusser Krankenhaus zwei Polizisten einen 33-jähriger Asylbewerber aus Marokko. Der Mann hatte erst das Personal und danach die zu Hilfe gerufenen Polizeibeamten mit einer abgeschlagenen Glasflasche bedroht. Eine Stunde lang hatte sich die Situation auf einer Station des städtischen Lukaskrankenhauses zuvor aufgeschaukelt, doch der Mann war in dieser Zeit weder durch gute Worte zu beruhigen noch mit Reizgas zur Räson zu bringen. Auch zwei Warnschüsse schüchterten ihn nicht ein. Als der Patient laut Polizei auf die Beamten losstürmte, schossen diese.

Professor Tobias Heintges, der ärztliche Direktor des städtischen Klinikums, erlebt zum ersten Mal in seiner Laufbahn, dass eine Situation derart eskaliert, dass am Ende sogar Schüsse fallen. Gewalt - und dazu zähle schon die Androhung - komme aber immer häufiger vor. Psychisch auffällige Patienten wären zwar seltener, allerdings würde die steigende Zahl dementer Patienten auch in dieser Hinsicht zunehmend zum Problem.

Auch in der rund um die Uhr besetzten Zentralambulanz des Hauses kommt es immer wieder zu Übergriffen gegen die Klinikmitarbeiter. "Einen kräftigen Mann mit fast vier Promille bändigt keiner", sagt der leitende Arzt in der Ambulanz, Klaus Reinartz. Da fliege schon einmal eine Flasche oder werde eine Theke abgeräumt. Beispiele, die ihn zu der Überzeugung bringen: "Im Krankenhaus zu arbeiten, wird immer gefährlicher." Trotzdem gibt es im Lukaskrankenhaus keinen Sicherheitsdienst. "Wir bieten Deeskalationstrainings an und werden das intensivieren", kündigt Heintges an, der seinen Mitarbeitern ein Lob ausspricht. "Die haben sich richtig verhalten."

Wie die Krankenhäuser mit dem Thema Sicherheit umgehen, entscheiden diese individuell. Generell sei dies eine Gratwanderung, sagt Lothar Kratz von der Krankenhausgesellschaft NRW. "Man will ja auch nicht die Patienten verunsichern." Nur wenige Häuser würden daher dazu übergehen und eigene Sicherheitsdienste beschäftigen. Dies sei eher bei größeren Häusern der Fall. Zumeist liefe es wie in Neuss auf die Schulung der eigenen Mitarbeiter hinaus. Der "Umgang mit schwierigen Patienten" ist daher ein Standard-Fortbildungsseminar in den allermeisten Kliniken und wird meist rege besucht.

Vergleichbare Fälle wie der in Neuss seien Kratz aber nicht bekannt - und das bei rund 4,4 Millionen Patienten, die in NRW jährlich stationär behandelt werden. Tendenz steigend. Dazu kommen noch die ambulanten Fälle. Gerade in den Notfall-Ambulanzen könne sich schon mal Ärger aufstauen - durch die hohe Zahl an Patienten vor allem an Wochenenden und bei speziellen Ereignissen wie etwa Karneval seien die Wartezeiten oft lang. Kratz: "Das erfordert viel Fingerspitzengefühl seitens der Mitarbeiter." Auch in Häusern mit einer Psychiatrie kommt es immer wieder zu heiklen Situationen.

Sicherheit hat zudem ihren Preis. Der Anteil der Personalkosten liegt in Krankenhäusern laut Kratz bei rund 65 Prozent, dazu schreiben rund 50 Prozent der Häuser rote Zahlen. Jede Investition, zum Beispiel in einen Sicherheitsdienst, muss daher gut kalkuliert werden. "Selbstverständlich darf man dabei nicht am falschen Ende sparen", sagt Kratz. Die Entscheidung darüber träfen die Geschäftsführer.

In Neuss muss jetzt noch geprüft werden, ob der Vorfall mit dem 33-Jährigen weitere Folgen hat. Der Mann war nämlich vor einigen Tagen mit dem Verdacht auf Tuberkulose von der Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge in Neuss ins Krankenhaus eingewiesen worden. Dort war er zwar wegen der möglichen Ansteckungsgefahr in einem Einzelzimmer einquartiert, lief aber ständig auf dem Flur herum.

Die Krankenhausleitung spricht von einem psychisch auffälligen Verhalten. Ob sich daraus ein Gesundheitsrisiko für andere Patienten auf der Station ergeben könnte, wird nun mit Hilfe des Kreisgesundheitsamtes untersucht. Das Amt veranlasst auch die Überführung des Mannes in eine Spezialklinik für Infektionskrankheiten in Süddeutschland. Die eingesetzten Beamten - am Ende waren es zehn - werden von einem Betriebsarzt untersucht.

(RP)
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