Prozess in Düsseldorf Reker-Attentäter Frank S. laut Gutachter voll schuldfähig

Düsseldorf · Mit Spannung ist der Auftritt des forensischen Psychiaters Norbert Leygraf vor dem Düsseldorfer Oberlandesgericht erwartet worden. Seine Aussage ist entscheidend für Verurteilung und Strafmaß des Angeklagten.

 Der 44-jährige Frank S. gehörte früher der rechtsextremen Szene an.

Der 44-jährige Frank S. gehörte früher der rechtsextremen Szene an.

Foto: dpa, ve fdt

Frank S. hat den Kopf in die Hand gestützt, hält den Blick gesenkt und schüttelt nur mit dem Kopf, als die Vorsitzende Richterin Barbara Havliza fragt: "Gibt es noch weitere Fragen?" Was in seinem Kopf vorgeht, haben sich die Prozessbeobachter schon viele Male während des Verfahrens vor dem Düsseldorfer Oberlandesgericht gefragt. Aber darauf kann auch der forensische Psychiater Norbert Leygraf keine vollständige Antwort geben. Über das tatsächliche innere Erleben des Frank S. wisse er nichts, weil dieser darüber nicht spreche.

Zuvor hatte er den Angeklagten in seinem Gutachten als voll schuldfähig eingestuft. Jedenfalls gebe es keine psychischen Erkrankungen, die das ausschließen würden, erklärte der 63-Jährige vor Gericht. Er leitet die LVR-Klinik in Essen und ist Professor an der Uni Duisburg-Essen. Wohl aber diagnostiziert er eine kombinierte Persönlichkeitsstörung bei Frank S. mit paranoiden und narzisstischen Persönlichkeitsanteilen.

Was das bedeutet, wird im Verlauf seiner Erklärungen deutlich. Frank S. gebe das Bild eines Menschen ab, der in seinem Leben stets das Gefühl gehabt habe, zu kurz gekommen zu sein. Schon seit seiner frühesten Kindheit erlebe er die Außenwelt als feindselig und gegen ihn gerichtet. In der Konsequenz habe das zu einer Entwicklung als Einzelkämpfer und zu einer "egozentrischen Überbewertung des eigenen Weltbilds" geführt. Sein Weltbild sei in schwarz und weiß eingeteilt: Die "Antifa" und die "Ausländer" waren die Gegner, die Rechten, diejenigen, die mutig gegen den Strom schwimmen.

Leygraf spricht von einer Neigung zur Projektion, dementsprechend habe Frank S. die in seiner Sicht falsche Ausländerpolitik der heutigen Kölner Oberbürgermeisterin Reker zugeschrieben. Zweimal hat der Psychiater mit dem Angeklagten Frank S. im Gefängnis gesprochen, einmal im Februar und einmal im März. Beide Male habe der Angeklagte sich kooperativ gezeigt, habe aber über die Tatvorwürfe nicht mit ihm gesprochen. In seinem Gutachten beschreibt Leygraf ihn als eigensinnig und halsstarrig, er habe ihn als schnell kränkbar erlebt.

Frank S. habe die Grundannahme einer permanenten Bedrohung von außen, ein ausgeprägtes Autonomie-Streben und zeige einen fast kindlich wirkenden Trotz. Er sei überempfindlich gegenüber Einschätzungen von außen. Sein mangelndes Selbstwertgefühl versuche er, mit einem betont selbstbewussten Auftreten zu kaschieren. Der Gutachter habe mehrfach im Prozess beobachtet, wie der Angeklagte während seiner Aussagen Blickkontakt zu ihm aufgenommen habe — wohl um zu sehen, wie der Psychiater seine Äußerungen aufnehme. "Er wirkte wie ein vorlautes Kind, das die Bestätigung seines Lehrers sucht", sagte Leygraf vor Gericht.

Während der Gutachter aussagte, blätterte Frank S. schweigend in seinem mitgebrachten Aktenordner. Fünf Justizbeamte hatten sich um ihn herum gesetzt. Das Gericht wollte damit wohl Vorsicht zeigen, was eine mögliche impulsive Reaktion des Angeklagten angeht. Doch das war gar nicht nötig. Am Ende stand der Eindruck eines letztlich doch desillusionierten Menschen.

Was das Gutachten für Auswirkungen auf den Ausgang des Prozesses haben wird, zeigt sich am 1. Juli. Dann nämlich wird Richterin Barbara Havliza das Urteil sprechen. Bei voller Schuldfähigkeit muss sich der Angeklagte nun auf eine langjährige Haftstrafe und vielleicht sogar eine Verurteilung wegen versuchten Mordes und 15 Jahre Haft, wie es die Anklage fordert, einstellen.

(heif)
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