Remscheid Ein Stück Normalität für die Flüchtlinge

Remscheid · Der Verein BAF sucht Beschäftigungsmöglichkeiten, damit Flüchtlinge Aufgaben und Struktur in ihrem Leben haben. Geplant sind für die Zukunft mehr solcher Projekte.

 Für Tahir Bahtiri bedeutet Arbeit ein Stück Normalität in einem harten und entbehrungsreichen Leben. Unter der Anleitung von Johann Jany lernt der 40-Jährige aus dem Kosovo.

Für Tahir Bahtiri bedeutet Arbeit ein Stück Normalität in einem harten und entbehrungsreichen Leben. Unter der Anleitung von Johann Jany lernt der 40-Jährige aus dem Kosovo.

Foto: Moll, J�rgen

Kurz vor neun Uhr, pünktlich wie immer, betritt Tahir Bahtiri die kleine Schreinerei, die im Verwaltungsgebäude Haddenbacher Straße untergebracht ist. Es ist ein städtische Projekt: Gespendete und kaputte Möbel der Stadt werden hergebracht und wieder hergerichtet. Im Gegensatz zu seinen Kollegen - die meisten sind Ein-Euro-Jobber - ist der 40-Jährige aus dem Kosovo freiwillig dort. Er ist Asylbewerber und müsste nicht arbeiten. Trotzdem kommt er jeden Tag - egal bei welchem Wind und Wetter. "Die Arbeit tut gut", sagt Bahtiri. Außer ihm machen regelmäßig vier bis sechs Flüchtlinge in der Schreinerei mit.

Solche Angebote für Flüchtlinge soll es in Remscheid mehr geben. Das ist der Plan von Daniela Krein, Geschäftsführerin des gemeinnützigen Vereins BAF (Begegnen, Annehmen, Fördern). Der Verein berät und betreut Flüchtlinge und Asylbewerber und kümmert sich im Auftrag der Stadt um deren Unterbringung. "Es fehlt dringend an Beschäftigungsmöglichkeiten für die Flüchtlinge", sagt Krein.

Denn viele der Flüchtlinge haben nichts zu tun und leben auf engstem Raum. In den von der Stadt angemieteten Wohnungen wohnt eine vier- oder fünfköpfige Familie auf 40 Quadratmeter, als Wohngemeinschaften teilen sich schon mal acht fremde Flüchtlinge zweieinhalb Zimmer. "Diese Enge sorgt für Stress und Konflikte", erzählt Krein. Daher sei es wichtig, dass die Erwachsenen tagsüber eine Beschäftigung haben und aus der Wohnung kommen. Für die Kinder ab sechs Jahren gilt die Schulpflicht.

"Wir wollen den Flüchtlingen einen Grund geben, morgens aufzustehen", sagt Krein. Als Möglichkeiten nennt sie Sprachkurse, Freizeitsangebote, Praktika oder gemeinnützige Arbeit. So könnten sich die Flüchtlinge, die oft eine monate- oder gar jahrelange Odyssee hinter sich haben, wieder an eine feste Tagesstruktur und ans Arbeiten gewöhnen.

Denn eine Stelle auf dem regulären Arbeitsplatz ist für die meisten Flüchtlinge sehr schwer zu finden. Viele dürfen erstmal nicht arbeiten, dann gibt es die Vorrangprüfung - der Arbeitgeber muss beweisen, dass es keinen qualifizierten Deutschen oder EU-Ausländer für die Stelle gibt -, und vor allem mangelt es schlicht an Deutschkenntnissen. "Auf der Arbeit muss man sich verständigen können", sagt Krein. Durch die geplanten Angebote sollen Flüchtlinge in Kontakt mit Einheimischen kommen, die Gesellschaft besser kennenlernen und auch Deutsch lernen.

Doch einfach und schnell geht das alles nicht, wie am Beispiel Tahir Bahtiri deutlich wird. Der Mann aus Mitroviza, der schon lange hier ist, versteht gut deutsch, kann sich aber schlecht verständigen. Er leidet unter einem schweren Sprachfehler - einem so hartnäckigen Stottern, dass jede Konversation für ihn ein Kampf ist. Es ist ein Überbleibsel aus dem Kosovo-Krieg, vor dem er schwer traumatisiert nach Deutschland floh.

"Besser soll es gehen", wünscht er sich für die Zukunft. Die Arbeit in der Schreinerei hilft ihm dabei - weniger Zeit zum nachdenken und grübeln. Dabei machen dem freundlichen Mann, der in der alten Heimat in der Landwirtschaft arbeitete, die Aufgaben sichtlich Spaß. Wenn seine Kollegen ihn mit seinen Spitznamen "Ismet" rufen, kommt er und packt mit an. Jeden Tag läuft er von seiner Wohnung auf dem Honsberg zur Arbeit.

Daniela Krein hat verschiedene Ideen: Interessierte Flüchtlinge könnten in öffentlichen Einrichtungen (zum Beispiel in Schulen und Jugendzentren) helfen, Kirchengemeinden ihre Räumlichkeiten zur Verfügung stellen, und mehr Sprachkurse angeboten werden. Denn Flüchtlinge haben keinen Anspruch, deutsch zu lernen. Die Kurse werden ehrenamtlich oder von Trägern durchgeführt. So sollen mehr Flüchtlinge am Leben in Remscheid teilnehmen können und eine Aufgabe finden.

(rp)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort