Große Koalition Ronald Pofalla - Merkels Raufbold entscheidet sich fürs Privatleben

Berin · Bisweilen prägt die Loyalität eines Politikers zu einem anderen Politiker so sehr das öffentliche Bild, dass die berufliche Nähe Teil des Rufnamens wird. Beim niederrheinischen CDU-Politiker und Kanzleramtsminister Ronald Pofalla war das so: Er war der "Merkel-Vertraute". Kaum ein Unionspolitiker arbeitete so eng und so vertrauensvoll mit der Regierungschefin wie der umtriebige Jurist aus Weeze.

Merkel und Pofalla, das war ein gut geöltes Polit-Tandem, das sich auch in Krisenzeiten nicht auseinanderbringen ließ. Nun zieht sich Pofalla aus der Politik zurück. Mehr Zeit für Privates, eine neue Perspektive im Leben, so lautet in Berliner CDU-Kreisen die Begründung. Eine gewisse politische Ermüdung dürfte ebenfalls eine Rolle gespielt haben. Wohl kaum ein Kanzleramtschef musste so viele Krisen und Politikwenden gestalten, organisieren, modernisieren und Konflikte beseitigen wie Pofalla während der schwarz-gelben Koalition.

Am Ende der vier Jahre stand Merkels Getreuer wegen seines saloppen Umgangs mit der NSA-Affäre ("Der Vorwurf ist vom Tisch") massiv in der Kritik. Berüchtigt auch sein Gerangel mit Parteifreund Wolfgang Bosbach 2011. Dem meist im Hintergrund agierenden Pofalla ging damals das mediale Trommelfeuer des prominenten Euro-Kritikers so auf die Nerven, dass er blaffte: "Ich kann deine Fresse nicht mehr sehen." Pofalla-Gegner sahen damit den Beweis erbracht, dass der frühere Kohl-Fan eben doch ein überheblicher Raufbold ist. Merkel hielt damals zu ihm.

Pofalla hat auch eine andere, weniger bekannte Seite. Dass der Sohn einer Putzfrau und eines Holzfacharbeiters ein Gespür für soziale Ungerechtigkeiten hat, legt sein Sozialpädagogikstudium, aber auch sein unermüdlicher Einsatz für die Opposition in Europas letzter Diktatur, Weißrussland, nahe. Auch Pofallas reflektierte Sicht auf die aufgeregten Mechanismen des Berliner Politikbetriebs blieb der Öffentlichkeit meist verborgen.

Der Kanzleramtschef gehe auf eigenen Wunsch, so heißt es. Pofalla habe sich gegen Rund-um-die-Uhr-Politik und für ein Privatleben entschieden. Er wolle eine Familie gründen und mehr Zeit mit seiner Lebensgefährtin Nina Hebisch, einer Rechtsanwältin aus Dinslaken, verbringen. Pofalla hat bereits zwei gescheiterte Ehen hinter sich.

Sein Bundestagsmandat will Pofalla vorerst behalten. Es heißt, nach einer gewissen Karenzzeit wolle er in die Wirtschaft wechseln. Dorthin hat er exzellente Kontakte. Schon vor einem Jahr war Pofalla als Vorsitzender der einflussreichen RAG-Stiftung in Essen im Gespräch. Bis heute verbindet ihn eine Freundschaft mit Stiftungschef Werner Müller.

Pofalla hat sich als CDU-Generalsekretär (2005—2009) immer als Sozialpolitiker verstanden. Der Branchen-Mindestlohn war seine Idee, die Hartz-IV-Schelte des damaligen FDP-Chefs Guido Westerwelle hatte Pofalla scharf kritisiert.

Seit 1975 ist Pofalla CDU-Mitglied, seit 1990 sitzt er im Bundestag. Als Unions-Fraktionschefin machte Merkel ihn 2004 zum Nachfolger von Friedrich Merz als stellvertretendem Fraktionschef für Wirtschaft und Arbeit. Sie entdeckte Pofallas strategische Fähigkeiten, aber auch seine Loyalität für sich und machte ihn zu ihrem Verbündeten — bis heute.

Wenn die Kanzlerin nach einem langen Tag im Kanzleramt noch ein Glas Rotwein trinken und über Koalitionen, Personalien und politische Gegner diskutieren wollte, fiel ihre Wahl oft auf Duz-Parteifreund Pofalla. Nur Merkels Büroleiterin Beate Baumann, Medienberaterin Eva Christiansen, Regierungssprecher Steffen Seibert und Fraktionschef Volker Kauder werden so eng einbezogen in die Pläne der Kanzlerin wie der 54-Jährige.

Bei einer dieser gemütlichen Weinrunden soll Pofalla seinen Abschied aus der Politik angekündigt haben. Merkels Versuche, ihn umzustimmen, waren erfolglos.

(RP)
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