Düsseldorf Salafisten schweigen vor Gericht

Düsseldorf · In Düsseldorf müssen sich seit gestern vier Islamisten wegen eines Mordkomplotts gegen einen Politiker und eines missglückten Bombenanschlags am Bonner Hauptbahnhof verantworten. In Duisburg trafen sie sich zum ersten Mal.

Der Terrorprozess des Jahres in Deutschland beginnt mit einer Farce. Um 10.26 Uhr, eine halbe Stunde vor Beginn der Hauptverhandlung, geht im Düsseldorfer Oberlandesgericht ein Fax ein. Der Strafverteidiger eines der vier Angeklagten lehnt den zuständigen Strafsenat unter Vorsitz von Richter Frank Schreiber wegen Befangenheit ab. Der Prozess wird um eineinhalb Stunden nach hinten verschoben, der Vorwurf geprüft. Gegen 12.30 Uhr erklärt Schreiber, dass der Antrag abgelehnt werde: "Der Zeitpunkt ist misstraulich zu behandeln. Es liegt keine sachliche Notwendigkeit vor. Der Grund ist nicht ersichtlich." Dieser Vorgang macht deutlich: Die Verteidigung setzt im Prozess um den nicht detonierten Sprengsatz am Bonner Hauptbahnhof und den vermeintlichen Anschlag auf den Pro- NRW-Chef auf eine Zermürbungstaktik.

Der Hauptangeklagte ist Marco G. (27), ein zum Islam konvertierter Mann aus Oldenburg, der 2011 in die ehemalige Bundeshauptstadt gezogen ist. Er soll, so lautet der Vorwurf der Bundesanwaltschaft, als Einzeltäter im Dezember 2012 am Gleis zwei des Bonner Hauptbahnhofes eine blaue Tasche mit einer Bombe abgestellt haben. Der Sprengsatz explodierte jedoch nicht, laut Anklage wegen eines Konstruktionsfehlers. Sein Verteidiger erklärte gestern: "Das war eine Bombenattrappe, keine Bombe. Die Behauptung, Bonn sei an einem Blutbad vorbeigeschrammt, ist falsch." Der Jurist hält den Anklagevorwurf für angreifbar, weil die Kriminaltechniker in der blauen Tasche zwar ein Sprengstoffgemisch fanden, aber keinen Zünder. Das sei ein kurioser Umstand, meint der Anwalt. "Die Ermittlungen wurden von Beginn an von Pleiten, Pech und Pannen begleitet."

Neben Marco G. sind Enea B. (44), Koray D. (25) und Tayfun S. (24) angeklagt. Ihnen wird vorgeworfen, gemeinsam mit Marco G. eine terroristische Vereinigung gebildet und einen Mordanschlag auf den Vorsitzenden der rechtspopulistischen Partei Pro NRW, Markus Beisicht, geplant zu haben.

Marco G. ist der erste der vier Angeklagten, der den eigens für Terrorprozesse hergerichteten Saal zwei des Oberlandesgerichtes betritt. Er trägt Brille, ein weißes T-Shirt, eine schwarze Weste und ein dunkles Kopftuch. Als er von zwei Justizbeamten in Fußfesseln zu seinem Platz geführt wird, grüßt er mit einem Handzeichen eine Gruppe arabisch aussehender junger Männer, die im Zuschauerraum Platz genommen haben. Marco G. ruft ihnen laut "Allahu Akbar" zu, Gott ist groß. Seine drei mitangeklagten Freunde tun es ihm gleich. Ihr Verhalten erinnert Beobachter stark an die RAF-Prozesse in den 1970er Jahren. Wie die Linksterroristen missachten auch die vier Islamisten das Gericht - und damit den deutschen Rechtsstaat - mit dauernder Provokation, indem sie ihre Kopfbedeckung trotz mehrfacher Aufforderung nicht ablegen und demonstrativ sitzen bleiben, wenn alle anderen im Saal aufstehen.

Die Bundesanwaltschaft ist sicher, dass Marco G. der geistige Anführer der Terrorzelle ist, die sich in der Nacht vom 22. auf den 23. Dezember 2012 in einer Wohnung in Duisburg gegründet haben soll. In dieser Nacht sollen sie sich zur Ermordung mehrerer Mitglieder von Pro NRW verschworen haben. Die Rechtspopulisten waren laut Bundesanwaltschaft wegen ihrer "Moschee-Tour" ins Visier der Islamisten geraten, bei der sie unter dem Motto "Freiheit statt Islam" mit islamkritischen Karikaturen vor Moscheen gezogen sind. Die Ermittler fanden bei einer Durchsuchung eine Liste mit 28 Namen von Politikern dieser Partei, von denen neun rot markiert waren. Ihr erstes Ziel sollte Beisicht werden, dessen Wohnsitz sie in Leverkusen als "Haus des Unglaubens" bezeichneten. Ein Sondereinsatzkommando nahm laut Anklage zwei von ihnen, bewaffnet mit Pistolen, 600 Meter vom Wohnhaus des Politikers entfernt fest. Die Angeklagten schweigen zu den Vorwürfen.

(RP)
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