Schulen in NRW Sozialarbeiter bangen um ihre Jobs

Düsseldorf · Viele Schulen in NRW könnten bald ihre Sozialarbeiter verlieren. Am 31. Dezember enden die Zuschüsse des Bundes für ihre Arbeitsstellen. Kommunen können die Kosten oft nicht übernehmen. Rund 1500 Stellen sind gefährdet.

 Sozialarbeiter helfen beispielsweise Schülern mit Behinderung.

Sozialarbeiter helfen beispielsweise Schülern mit Behinderung.

Foto: dpa, Armin Weigel

Verena Fernandes dos Santos weiß, dass sie an der Schule, an der sie arbeitet, gebraucht wird. Fast jeden Tag sagt ihre Schulleiterin mit wachsender Verzweiflung zu ihr: "Was soll ich bloß ohne dich machen?" Doch das reine Wissen, gebraucht zu werden, hilft der 44-Jährigen derzeit nicht weiter. Ihr Job als Schulsozialarbeiterin an einer Schule für geistige Entwicklung in Dortmund ist nur noch für wenige Monate gesichert. Eigentlich wäre der Vertrag schon zum Ende des Jahres ausgelaufen, doch mit Hilfe von Restgeldern wurde er bis Ende Juni verlängert. "Wie es danach weitergeht, ist noch unklar, und es bereitet mir große Sorgen", sagt die Mutter von drei Kindern.

Allein in Dortmund sind 81 Stellen gefährdet, in ganz NRW sind rund 1500 Sozialarbeiter betroffen. Sie werden bislang über das Bildungs- und Teilhabepaket (BUT) finanziert. Der Bund stellt den Kommunen in NRW auf diesem Weg seit 2011 jährlich rund 100 Millionen Euro für die Schulsozialarbeit zur Verfügung. Die damit finanzierten Schulsozialarbeiter sorgen zum Beispiel dafür, dass Kinder aus Familien, die von Sozialleistungen leben, ein warmes Mittagessen bekommen oder Unterstützung bei der Lernförderung erhalten. Die Finanzierung soll jedoch zum 31. Dezember auslaufen. Im Anschluss sollen laut Bund die Kommunen einspringen. Doch die meisten Städte und Gemeinden können sich das nicht leisten. NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft und Landesarbeitsminister Guntram Schneider (beide SPD) haben sich dafür eingesetzt, dass der Bund die Finanzierung der Schulsozialarbeit dauerhaft übernimmt und dazu eine Bundesratsinitiative auf den Weg gebracht, die aber vor der Bundestagswahl abgeschmettert worden ist.

Eine "Katastrophe" für Schüler und Schulen

Für die betroffenen Schulen und ihre Schüler sei diese Situation "eine Katastrophe", sagt der Sprecher der Landesarbeitsgemeinschaft Schulsozialarbeit, Wolfgang Foltin. Die ersten Kollegen hätten bereits ihre Kündigungen erhalten, andere hätten sich angesichts der drohenden Arbeitslosigkeit neue Stellen gesucht und würden nun fehlen. Laut Verband wird rund die Hälfte der etwa 3000 Schulsozialarbeiter in NRW aus dem Bildungs- und Teilhabepaket finanziert.

Die Dortmunderin dos Santos hat zusammen mit ihren Kollegen ein landesweites Aktionsbündnis ins Leben gerufen. "Wir kämpfen um unsere Jobs", sagt sie. "Arbeitslos melden müssen wir uns ohnehin noch früh genug." Eine Lösung des Problems ist laut der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) auch dringend nötig.

Bis 2011 gab es Schulsozialarbeiter fast ausschließlich an sehr großen Schulen — als Landesbeamte. Die Schulleitung kann entscheiden, statt eines Lehrers einen Sozialarbeiter einzustellen. Das kommt bei kleineren Schulen, die in der Regel jede Lehrerstelle brauchen, fast nie infrage. Die rund 1100 Sozialarbeiter auf Landesstellen seien nicht gefährdet, betont Wolfgang Foltin, der selbst auf dieser Basis an einer Schule in Nettetal arbeitet. Durch das BUT wurde es auch kleineren Schulen ermöglicht, Unterstützung durch einen Schulsozialarbeiter zu bekommen. "Sie sind nach nur zwei Jahren bereits jetzt an vielen Schulen unverzichtbar geworden", meint Foltin: "Denn Bildung ist mehr als Unterricht. Man braucht nicht nur Lehrer, sondern auch Schulsozialarbeiter an allen Schulen in NRW." Auch Landesarbeitsminister Guntram Schneider betont die Wichtigkeit dieser Stellen: "Wir stellen eine spürbare Verbesserung an den Schulen fest, wenn dort Sozialarbeit geleistet wird. Die Sozialpädagogen übernehmen Aufgaben, die Lehrer allein nicht leisten könnten." Vor allem in den Problemvierteln der Großstädte könnten die Schulen nicht auf die Sozialarbeit verzichten, erklärt der Minister.

Plan B in Mönchengladbach

Einzelne Kommunen wie Mönchengladbach oder Hückeswagen haben eine Möglichkeit gefunden, die Schulsozialarbeiter weiter zu beschäftigen. In Mönchengladbach hat der Rat im Sommer beschlossen, das "wertvolle Projekt" um zwei Jahre zu verlängern — bis zum 31. Dezember 2015. Die Personal- und Sachkosten dafür liegen bei 906 000 Euro. Etwa die Hälfte zahlt die Stadt als Zuschuss, 430 000 Euro sollen die Kollegen sozusagen "selbst erwirtschaften", sagt Stadtsprecher Dirk Rütten, indem sie bei der Prävention so gute Arbeit leisten, dass künftig weniger Hilfen zur Erziehung notwendig sind und die Kommune dadurch langfristig spart. Dadurch verändere sich auch das Konzept ein wenig, denn die Schulsozialarbeiter sollten verstärkt in Grundschulen tätig werden, wo sie frühzeitig eingreifen können.

Die studierte Sozialarbeiterin Verena Fernandes dos Santos war froh, als sie vor rund zwei Jahren die Möglichkeit bekam, aus der Arbeit bei einem freien Träger zur Stadt Dortmund zu wechseln und fest an einer Schule zu arbeiten. "Mein Job macht mir Spaß", sagt die gebürtige Portugiesin. "Er ist vielfältig. Ich unterstütze die Lehrer und übernehme das, wofür im Schulalltag sonst oft keine Zeit bleibt." Zum Beispiel berät sie Eltern und Kinder und macht dazu auch Hausbesuche. "So lerne ich Familien viel besser kennen und stoße oft auf Probleme, die sonst vielleicht verborgen geblieben wären."

(RP)
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