Köln Köln: 65 Menschen in Gondeln gefangen

Köln · Weil sich gestern Nachmittag eine Gondel der Kölner Seilbahn verhakte, mussten die Passagiere von Höhenrettern befreit werden. Dabei spielten sich dramatische Szenen ab. Ursache des Unfalls war wohl ein technischer Fehler.

Bilder: Kölner Seilbahn steckt fest - Höhenretter im Einsatz
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Höhenretter befreien Fahrgäste aus Seilbahn

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Foto: dpa, mku kno

Auf der Gondel prangen WDR-Maus und Elefant, doch nach Lachen ist den zwei Erwachsenen und zwei Kindern in der Kabine gestern Nachmittag nicht zu Mute. Gegen 15.20 Uhr wickelt sich das Hilfsseil, das zwischen den vier Seilen der Gondel hängt, um eines der anderen Seile. Als Folge verkeilt sich die Gondel am ersten Pfeiler auf der linksrheinischen Seite und bleibt in Schräglage hängen. Weil damit der automatische Notstopp für die Seilbahn aktiviert wird, stockt der gesamte Betrieb. 32 Gondeln sind zu dieser Zeit im Umlauf. Man gehe davon aus, dass 76 Menschen in den Gondeln gefangen sind, heißt es zunächst bei den Kölner Verkehrs Betrieben (KVB), später meldet die Stadt Köln dann 65 Betroffene, davon 20 Kinder. Sie alle müssen bange Stunden erleben - am Abend gibt die Feuerwehr bekannt, dass alle Fahrgäste wieder am Boden sind. "In dieser Größenordnung ist das noch nie passiert", sagt ein Feuerwehr-Sprecher. Beim letzten Einsatz in Köln vor drei Jahren hing nur eine Familie in einer Gondel fest.

Die sofort alarmierten Höhenretter begannen bereits kurz nach dem Unfall, betroffene Fahrgäste aus den Gondeln herauszuholen. Dies gelang zunächst über Drehleitern. Alle übrigen Passagiere mussten aus den Kabinen aus teils großer Höhe abgeseilt werden - eine für die Betroffenen nervenaufreibende Aktion. So berichteten Augenzeugen davon, dass einige Gerettete sichtlich unter Schock standen. Ein Mann wurde beispielsweise mit einem zwei Jahre alten Jungen im Arm in den Korb einer Drehleiter abgeseilt. Seitens der Feuerwehr hieß es aber, dass die Lage unter Kontrolle sei. Zwei Fahrgäste wurden leicht verletzt. Die Passagiere seien ansonsten aufgewühlt, aber wohlauf. Durch die Rettungsaktion wurden zudem viele Schaulustige angezogen, die sich auf der Zoobrücke versammelten und gelungene Aktionen mit Applaus bedachten.

Heiß sei es gewesen in den Gondeln am warmen Sommer-Sonntag in Köln, sagte Christian Heinisch, der Sprecher der Kölner Feuerwehr, außerdem sei die Kommunikation zwischen Höhenrettern und den Eingeschlossenen nicht einfach gewesen. Unterstützt von Experten unter anderem aus Düsseldorf und Aachen gelang es den Höhenrettern, die ausharrenden Betroffenen in den Kabinen zu beruhigen. Völlig unvorbereitet traf die Höhenretter der Notfall nicht. Erst in der vergangenen Woche sei ein fast exakter Vorfall in einer Übung der Höhenretter trainiert worden, sagt Heinisch - ausgerechnet an der jetzigen Unglücksstelle.

Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos) hat den vom Seilbahndefekt betroffenen Fahrgästen Mut zugesprochen. "Ich denke natürlich an die Menschen, die in den Kabinen sind", sagte Reker, die sich vor Ort ein Bild von den Rettungsmaßnahmen machte. Da seien Kinder und Senioren dabei, die Mut und Geduld bräuchten. Reker äußerte ihre Zuversicht, dass der Einsatz letztlich gut ausgehe. Sie forderte die KVB auf, in der heutigen Sitzung des Hauptausschusses einen Bericht zu dem erneuten technischen Versagen abzugeben. Sie hofft, dass die Ursache rasch gefunden und für die Zukunft als Fehlerquelle ausgeschlossen werden könne. Reker, die schon als Kind und zuletzt vor einigen Monaten mit der Seilbahn gefahren ist, hat aber Vertrauen in das Verkehrsmittel. "Ich würde es auch wieder machen."

Warum das Seil bei dem gestrigen Vorfall ohne größere Winde - es gab allerdings zwischenzeitlich immer wieder stärkere Böen - dermaßen aus seiner Fassung geraten konnte, darüber kann Thomas Miebach, der Geschäftsführer der Kölner Seilbahn-Gesellschaft, bislang nur rätseln: "Morgen schaut sich der TÜV das an, bislang wissen wir es nicht."

Im Herbst 2014 saß eine Familie vier Stunden in einer Gondel fest, weil ein Rad bei Sturm aus der Führung gesprungen war. Höhenretter seilten die Familie aus 40 Metern Höhe auf ein Boot im Rhein ab. Damals war die Seilbahn trotz einer Sturmwarnung des Deutschen Wetterdienstes am Morgen in Betrieb genommen worden.

Dass Warnungen ignoriert worden seien, verneinte Geschäftsführer Miebach damals gegenüber unserer Redaktion. "Die Windböe traf die Seilbahn, als wir sie gerade reinholen wollten", sagte er. In den Vorhersagen sei von so hohen Windgeschwindigkeiten nicht die Rede gewesen, meinte er. Die Seilbahn verfügt über spezielle Wind-Messer an den Pylonen. Sie überprüfen ständig, ob der Betrieb noch aufrechterhalten werden kann. "Wird es zu windig, schlagen sie Alarm, und wir holen die Kabinen rein", so Miebach damals.

Die Seilbahn ist eine Tochter der Kölner Verkehrs-Betriebe AG. Die Kabinen queren nicht nur den Rhein, sondern schweben auch ein Stück über die Zoobrücke und eine viel befahrene Verkehrsader der Domstadt. Aufmerksam dürfte der Zwischenfall auch in Wuppertal und Bonn verfolgt werden. Dort gibt es Pläne, Seilbahnen im Nahverkehr einzusetzen. In Bonn hat ein Gutachten ergeben, dass eine Seilbahn technisch machbar ist. Sie soll vom UN-Campus an der Museumsmeile hoch zur Uniklinik auf dem Venusberg führen, mit Option einer Verlängerung über den Rhein. Allerdings hat sich in Bonn ebenso wie in Wuppertal Widerstand gegen die Pläne formiert.

(RP)
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