Köln Seilbahn-Rettung: "Wir hatten Todesangst"

Köln · Die vierköpfige Familie aus Köln, die in einer Gondel über dem Rhein festsaß, berichtet über die Rettungsaktion. Die Seilbahn war von einer starken Windböe erfasst worden. Die Staatsanwaltschaft prüft mögliche Ermittlungen.

Die Sturmböe trifft die Seilbahn an der Kölner Zoobrücke mit voller Wucht. Mit mehr als 100 Stundenkilometer peitscht der Wind gegen die vier Gondeln. Die Räder einer Kabine werden dabei aus dem Führungsseil gehoben, wodurch auch die anderen drei Gondeln nicht mehr weiter fahren können. "Es hat plötzlich einen unheimlichen Ruck gegeben. Wir wurden hin und her geschleudert", sagt Sven Baumhauer später. Der 39-jährige Familienvater sitzt mit seiner Frau Katrin (37) und seinen Söhnen Mats (2) und dem erst drei Monate alten Tom in einer der Gondeln fest. 50 Meter über dem Rhein, während eines heftigen Sturms. "Für einen Augenblick hatte ich Todesangst. Da wird einem ganz anders", sagt Baumhauer. Doch am Ende wird alles gut. Nach vier Stunden können Höhenretter die junge Familie aus ihrer misslichen Situation befreien. "Dafür danken wir allen Beteiligten sehr herzlich."

Nach der dramatischen Rettungsaktion vorgestern Abend, bei der neben der Familie zwei junge US-Amerikaner aus einer anderen Gondel gerettet wurden, haben die Ermittlungen zur Ursache begonnen. Im Zentrum der Untersuchungen steht die Frage, ob die Seilbahn bei dem Sturm überhaupt hätte fahren dürfen. Es lagen seit mittags Unwetterwarnungen vor. Handelten die Betreiber der Seilbahn fahrlässig und ignorierten die Warnungen der Wetterdienste? Nein, sagt Thomas Miebach. Der Geschäftsführer der Kölner Seilbahn, einer Tochterfirma der Kölner Verkehrsbetriebe (KVB), meint, dass seine Mitarbeiter keine Schuld treffe. "Die Windböe traf die Seilbahn, als wir sie gerade reinholen wollten", sagt er. In den Vorhersagen sei von so hohen Windgeschwindigkeiten nicht die Rede gewesen, meint er.

Die Seilbahn verfügt über spezielle Wind-Messer an den Pylonen. Sie überprüfen ständig, ob der Betrieb noch aufrechterhalten werden kann. "Wird es zu windig, schlagen sie Alarm, und wir holen die Kabinen rein", so Miebach. Und das sei auch vorgestern der Fall gewesen. Die Vorwarnstufe habe bei einer Windgeschwindigkeit von 36 Stundenkilometern angeschlagen. Daraufhin habe man die Gondeln reingeholt. "Doch just in dem Moment traf die Windböe so ungünstig auf die Seilbahn, dass diese havarierte." Auch wenn Miebach keine Schuld bei sich und seinen Kollegen sieht, will die Staatsanwaltschaft einer Sprecherin der Kölner Polizei zufolge die Seilbahn-Panne auf strafrechtliche Relevanz hin prüfen. Miebach erklärt gestern dazu: "Davon weiß ich nichts."

Sven Baumhauer hat die Seilbahn eigentlich noch nie so richtig gemocht. Vor dem Zwischenfall hat der Ur-Kölner aus dem Stadtteil Nippes sie auch nur ein einziges Mal benutzt - 1999 mit Freunden aus Schweden, spaßeshalber. Seinem Sohn Mats zuliebe, der vorgestern zwei Jahre alt geworden ist, ist er nach 15 Jahren noch einmal damit gefahren. "Er hat sich die Gondelfahrt zum Geburtstag gewünscht. Da kann man schließlich nicht nein sagen", erklärt der 39-Jährige. Natürlich habe er sich vor der Fahrt Gedanken wegen des schlechten Wetters gemacht. Man habe ihm aber versichert, dass alles in Ordnung sei. Als die Familie etwa die Hälfte der Überfahrt hinter sich hat, trifft die Sturmböe ihre Gondel. "Wir haben gesungen und gebetet", sagt Katrin Baumhauer. Selbstverständlich denke man in so einer Situation, was passieren könnte, wenn die Gondel abstürzt. Mats, der auf ihrem Schoß sitzt, verliert in der Aufregung seinen Schnuller. Er beginnt zu weinen. Zur Beruhigung gibt ihm seine Mutter den seines kleinen Bruders. Hilft aber auch nicht viel. Dann, nach vier Stunden bangen Wartens, ist die Rettung da.

Der TÜV Rheinland prüft die Seilbahn jedes Jahr vor Saisonbeginn im Frühjahr. "Die Tests dauern mehrere Tage", sagt Chefprüfer Frank Ehlert. Untersucht werden unter anderem Aufhängung, Antriebe, Seile und die sicherheitsrelevanten Steuerungssysteme, die sich im Ernstfall von alleine abschalten. Wegen des Vorfalls findet heute eine zusätzliche Überprüfung statt. Die Seilbahn bleibt bis auf Weiteres geschlossen.

Höhenretter Daniel Backhaus hat es als Erster zu der Familie in die Kabine geschafft. Er ist von der Zoobrücke zu ihnen heruntergeklettert, um sie auf das Feuerwehrschiff unter ihnen auf dem Rhein abzuseilen. Doch für die Eltern steht der schwerste Moment erst noch bevor. Sie müssen Mats allein mit dem Höhenretter in der Gondel zurücklassen. "Wir wurden aus Sicherheitsgründen zuerst abgeseilt", sagt Katrin Baumhauer. "Das einem Zweijährigen in so einer Situation zu erklären, ist nicht leicht." Doch Mats meistert auch das.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort