SPD-Kanzlerkandidatur Entscheidung für Schulz blamiert Hannelore Kraft

Düsseldorf · NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft und ihre Vertrauten hatten sich noch in jüngster Zeit offen für Sigmar Gabriel ausgesprochen. Es kam anders - ein herber Rückschlag für Kraft.

 Hannelore Kraft (Archivbild) hatte auf Sigmar Gabriel gesetzt.

Hannelore Kraft (Archivbild) hatte auf Sigmar Gabriel gesetzt.

Foto: dpa, ve sab

Sigmar Gabriels Verzicht auf die Kanzlerkandidatur ist eine Blamage für SPD-Landeschefin Hannelore Kraft. Es war Gabriel, der im Interview mit unserer Redaktion betont hatte: "Sie können sicher sein, dass Ministerpräsidentin Hannelore Kraft entscheidenden Einfluss darauf hat, wer die SPD als Spitzenkandidat in die kommende Bundestagswahl führt."

Kraft ihrerseits hat seit Wochen keinen Zweifel daran gelassen, dass sie auf der Seite Gabriels steht. Sie zeigte sich überzeugt davon, dass der SPD-Bundesvorsitzende das Zeug zum Kanzler hat. Mit Krafts Zustimmung, vermutlich sogar auf ihre Veranlassung, hatte sich ihr Vertrauter Norbert Römer, der Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion, geradezu euphorisch über ihn geäußert.

In einem Beitrag für den "Blog der Republik" schrieb Römer im September: "Gabriel spricht die Sprache der Menschen, er duckt sich nicht weg. Das ist eine Eigenschaft, die die Menschen gerade in Nordrhein-Westfalen schätzen." Gabriel sei der richtige Mann für die SPD. Römer weiter: "Ich halte Sigmar Gabriel ohne Abstriche für geeignet, der nächste Kanzler zu sein."

Er lag gründlich daneben. Ebenso wie viele andere führende Sozialdemokraten im Land, die bis zuletzt davon ausgegangen waren, dass Gabriel antritt. Darauf schienen auch seine Reisen nach NRW hinzudeuten. Im Ruhrgebiet etwa nahm er sich tagelang Zeit, um sich mit technischen Projekten wie dem Emscher-Kanal vertraut zu machen und den Genossen vor Ort zuzuhören.

Die Fehleinschätzung trifft Kraft, die sich schon vor Jahren bundespolitisch aus dem Rennen genommen hatte, als sie betonte, sie wolle "nie, nie Kanzlerkandidatin" werden. Die Entscheidung verdeutlicht, wie stark der Einfluss des bevölkerungsreichsten Bundeslandes und vor allem des stärksten Landesverbandes der SPD im Bund inzwischen geschrumpft ist.

Gabriel betonte, die Vorschläge im Präsidium für den Wechsel im Parteivorsitz und für die Kanzlerkandidatur seien von ihm, Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz und Kraft gemeinsam eingebracht worden. "Die NRW-SPD freut sich: Ein Nordrhein-Westfale fürs Kanzleramt", schrieb Kraft auf Twitter. "Glückwunsch Martin Schulz! Unsere Unterstützung hast Du." Schulz ist der zweite SPD-Kanzlerkandidat aus Nordrhein-Westfalen nach Johannes Rau, der 1987 Helmut Kohl unterlegen war.

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Zugleich birgt die Entscheidung für Schulz so kurz vor der NRW-Wahl ein Risiko: Kraft und Gabriel galten als gutes Team. Zuletzt hatte der Wirtschaftsminister sich für die Arbeitsplätze von Kaiser's Tengelmann eingesetzt. Auch ein schnellerer Ausstieg aus der Braunkohle, wie ihn Parteifreundin Barbara Hendricks in Berlin mitunter fordert, war mit Gabriel nicht zu machen.

(RP)
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