Düsseldorf St. Martin: Weniger Kinder "gripschen"

Düsseldorf · Ein Grund: Süßigkeiten sind für die Kleinen nichts Besonderes mehr.

Ob in Neuss, Kaarst oder Dormagen: In diesem Jahr sind bislang offenbar weniger St.-Martinssänger unterwegs als in den Vorjahren. Selbst in der Nähe von Grundschulen, wo sich die Kinder zum Umzug versammeln, stellen Anwohner fest, dass nach dem Zug nicht mehr so oft an der Tür geschellt wird wie früher, um zu "gripschen", wie die Tradition mancherorts heißt.

Dabei haben Anwohner wie zum Beispiel in Dormagen in der Nähe von Grundschulen extra Einfahrten und Haustüren mit Laternen geschmückt, um zu signalisieren, dass jemand zu Hause ist und geklingelt werden darf.

Dagmar Hänel vom LVR-Institut für Landeskunde und Regionalgeschichte in Bonn sagt, dass Süßigkeiten nichts Besonderes mehr wären für die Kinder. "Sie sind sehr preiswert geworden und gehören für viele Kinder zum Alltag", sagt Hänel. Die Kinder würden dabei auch immer öfter von ihren Eltern begleitet. "Das hat sicherlich etwas mit der allgemeinen Tendenz zu tun, die Kinder stärker zu behüten, sie zu kontrollieren und vor - möglichen wie erdachten - Gefahren zu bewahren", erklärt Hänel. Dabei gehöre zum Martinssingen gerade auch das Moment der Grenzüberschreitung: "Es ist aufregend und spannend, im Dunkeln ohne Erwachsene, nur mit anderen Kindern, durch die Gegend zu ziehen." Das sei vielen Eltern heute aber zu unsicher. "Das ist verständlich und nachvollziehbar. Aber es wirkt sich auf solche Brauchtumsformen unmittelbar aus." Je weniger Kinder es machten, umso mehr werde der Brauch zurückgedrängt. Das sieht auch St.-Martin-Experte Manfred Becker-Huberti so. "Je mehr das Christliche in der Gesellschaft erodiert, umso mehr geht auch dieser Bezug verloren", betont er.

(RP)
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