Dinslaken "Abgehängt": Debatte um entfernte Aktbilder

Dinslaken · Die CDU-Kreischefin Sabine Weiss übt Kritik an der Entscheidung des Landrats Ansgar Müller, zwei Aktgemälde im Kreishaus zu entfernen. Die Werke seien nicht "anstößig". Dezente Kritik kommt selbst von Müllers Genossen René Schneider.

 Um diese beiden Werke geht es: Gemalt hat sie Marianne Pütz.

Um diese beiden Werke geht es: Gemalt hat sie Marianne Pütz.

Foto: Pütz

Die Entscheidung des Weseler Landrats Ansgar Müller (SPD), zwei Werke der Moerser Künstlerin Marianne Pütz aus einer Ausstellung im Kreishaus zu entfernen, hat in der Politik für heftige Kritik gesorgt. Die CDU-Bundestagsabgeordnete Sabine Weiss, Chefin der CDU im Kreis Wesel, zeigt kein Verständnis für die Aktion des Landrats: "Wenn im Kreishaus eine Ausstellung stattfindet, dann sollte es keine Selektion geben", formulierte Weiss.

Sie begrüße generell, dass Kunst im Kreishaus gezeigt wird. Dann solle man aber auch die vorgeschlagenen Werke zeigen, und nicht einige Bilder verbannen. Sie halte die Bilder "nicht für anstößig", sagt Weiss. René Schneider, Kreischef der SPD und Landtagsabgeordneter, wiederum hält die interne Richtlinie im Kreishaus für bedenklich, wonach dort schon länger Nacktbilder nicht gezeigt werden dürfen.

Dinslaken: "Abgehängt": Debatte um entfernte Aktbilder
Foto: Pütz

"Hier geht es nicht um Pornografie: Von Gauguin bis Renoir gibt es in der Kulturgeschichte zig Beispiele künstlerisch wertvoller Aktbilder, die man immer auch in der Öffentlichkeit zeigen kann. Wer sich davon gestört fühlt, soll eben nicht hinschauen oder gerne öffentlich darüber diskutieren." Die interne Maßgabe gehöre überarbeitet, fordert Schneider in Richtung seines SPD-Landrats Müller.

Seit Anfang April ist im Weseler Kreishaus die Ausstellung der Moerser Künstlergruppe Palette zu sehen. "Sechzig mal Achtzig" ist die Schau betitelt. Zwei der Werke wollte der Kreis Wesel, wie berichtet, nicht hängen sehen. Es handelt sich um Werke der Moerser Künstlerin Marianne Pütz, die unbekleidete Frauen zeigen. Sie habe versucht, berühmte Werke der Kunstgeschichte zu zitieren, verteidigt sich die Hobbymalerin.

Das Gemälde "Die drei Grazien" hat Marianne Pütz nach dem Vorbild des berühmten Malers Peter Paul Rubens geschaffen, der dafür bekannt ist, Frauenkörper malerisch üppig auszugestalten. Bei Pütz trägt eine der Damen dazu am Gesäß ein Totenkopftattoo. Bei ihrem Bild "Der Froschkönig", auf dem eine nackte Frau in einem Froschteich steht, wiederum habe sie mit einem Motiv aus dem Bild "Die Geburt der Venus" des berühmten Sandro Botticelli spielen wollen, verteidigt sich die Malerin.

Brust und Po sind zwar auf beiden Bildern bei den gemalten Damen zu sehen, nicht aber die Vagina als weibliches Geschlechtsorgan.

Im Kreishaus Wesel hat man dennoch die Notwendigkeit gesehen, die Werke zu entfernen. Das Kreishaus sei ein öffentlicher Raum, keine private Galerie, argumentiert eine Sprecherin des Landrats. "Die Bilder wurden abgehängt, da seit Jahren hausintern die Ausrichtung besteht, mit Rücksicht auf die unterschiedlichsten Besucher und Besucherinnen keine Aktbilder, Aktfotos zur Schau zu stellen."

Die Moerser Künstlergruppe habe um die Bedingungen gewusst, sich aber nicht daran gehalten. "Nackte Menschen zu Objekten auf Bildern zu reduzieren - auch wenn es Kunst ist - gehört nach Ansicht der Verwaltung nicht in eine öffentliche Verwaltung."

Verteidigt wurde die Künstlerin Marianne Pütz gestern auch von den Grünen im Kreis Wesel. Hubert Kück, Fraktionschef der Grünen im Kreis, sagt: "Es ist eine lächerliche Posse, wir sind für die Freiheit der Kunst. Wir leben im aufgeklärten 21. Jahrhundert." Linke-Kreischef Sascha Wagner spricht von "Zensur" und wirft der Kreisverwaltung vor, ohne Rücksprache mit der Politik zu entscheiden, welche Werke im Kreishaus ausgestellt werden. Es gebe eine Arbeitsgruppe zur Vorbereitung von Kulturveranstaltungen, diese habe aber "seit Ewigkeiten" nicht mehr getagt.

Wie wird Landrat Ansgar Müller nun entscheiden? Bleibt es dabei, dass die Bilder nicht zu sehen sein werden? Wird er die Maßgabe überarbeiten? Er selbst war für eine Stellungnahme gestern nicht erreichbar.

Nackte Frauenkörper in Verwaltungsräumen - der Bundestagsabgeordneten Sabine Weiss muss die Debatte bekannt vorkommen, war ihr doch eine ähnliche Posse auch 2001 schon begegnet. Damals war sie Bürgermeisterin in Dinslaken. Aus einem Bürgerbüro wurde damals das Werk "Junge Frau mit Katze" des Bruckhausener Künstlers Peter Schikora entfernt.

Weiss äußerte sich als Verwaltungschefin damals salomonisch, fiel ihren Mitarbeitern nicht in den Rücken, äußerte gleichsam aber ihr Befremden über die Reaktion. Sie sei froh, dass "durch die Debatte das Thema Kunst in den öffentlichen Raum gebracht werde", sagte Weiss damals.

41 Künstler gehören der Moerser Palette an, die sich monatlich in der Galerie Peschkenhaus in Moers trifft. In der Ausstellungsankündigung, die der Kreis Wesel am 4. April versandt hatte, hieß es noch: "Die Künstlerinnen und Künstler zeigen vielseitige Werke. Von leiser Zurückhaltung bis hin zu packender Direktheit ist hier vieles zu finden." Offenbar war aber dann einiges doch zu direkt...

Die Ausstellung "Sechzig mal Achtzig" ist bis Freitag, 11. Mai, im Foyer des Kreishauses, Reeser Landstraße 31, Wesel, zu den üblichen Öffnungszeiten zu sehen.

(RP)
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