Dinslaken/Voerde Als der Rhein eine Polarregion war

Dinslaken/Voerde · Alte Schwarz-Weiß-Aufnahmen vermitteln anschauliche Eindrücke vom Extremwinter 1928/1929.

Der zurückliegende Winter, der kalendermäßig erst kürzlich vom Frühjahr abgelöst wurde, präsentierte sich mit Temperaturen, die tagsüber zumeist einige Grad über dem Gefrierpunkt lagen, nachts herrschte allerdings auch schon mal Frost. Mitte Januar gab es den ersten Schnee im damals noch jungen Jahr, doch blieb die weiße Pracht nicht lange liegen und war schnell wieder geschmolzen. Die Autofahrer freute dies natürlich, denn in unseren Breiten sorgen länger andauernde Eis- und Schneeperioden zumeist nur für zeitweise doch recht chaotische Straßenverhältnisse. Der Winter entsprach so gar nicht dem, was man sich landläufig darunter vorstellt. Aber es gab in der Vergangenheit auch Winter, die diesen Namen wirklich verdienten. Der Dinslakener Joachim Acker hat in einem Album seines Vaters, Dr. Wilhelm Acker (früher Leiter der Rechtsabteilung bei den Thyssenschen Gas- und Wasserewerken in Hamborn), geblättert. In diesem Band sind Fotografien aufbewahrt, die im Winter 1928/1929 entstanden sind. Was auf diesen alten Schwarz-Weiß-Aufnahmen, die überwiegend im Februar und März 1929 aufgenommen wurden, abgebildet ist, haben die meisten Mensche wohl noch nie gesehen: den gefrorenen Rhein. Entstanden sind diese beeindruckenden Bilder größtenteils in Eppinghoven und Götterswickerhamm. Der Betrachter fühlt sich beim Anblick dieser Aufnahmen in die tiefsten Polaregionen versetzt, sieht Eisschollen, die sich übereinander geschoben haben.

Ein Foto des Albums zeigt beispielsweise den Steiger in Götterswickerhamm. Auf einem anderen ist ein Pfad, der den Rhein entlang führt, zu sehen. Während das Land so gut wie schneefrei ist, präsentiert sich der Fluß mit einem dicken Eismantel. Einen anschaulichen Eindruck von den Dimensionen des Eisbrocken auf dem Rhein vermittelt eine Aufnahme, auf der eine Frau vor einem Eisblock steht und ihren Arm darauf ablegt. Dann gibt es eine Aufnahme, die auf der Rheinbrücke in Wesel entstanden ist. Am linken Fahrbahnrand parken zahlreiche Automobile, die aus heutiger Sicht als Oldtimer gelten. Die Fahrer haben offensichtlich angehalten, weil sie und ihre Begleiter einen Blick auf dem zugefrorenen Rhein werfen möchten.

Früher, so berichtet der 84-jährige Joachim Acker, sei es in den Wintern immer mal wieder vorgekommen, dass der Rhein zugefroren war und man auf dem Fluss umherwandern konnte. Damals sei Treibeis auf dem Rhein das mindeste gewesen und hätte zum Winter einfach dazugehört. Acker erinnert sich an "Schnee ohne Ende" in seiner Jugend in den Kriegswintern Anfang bis Mitte der 1940er Jahre. Bei Glatteis sind die Kinder damals auf Schlittschuhen zur Schule gefahren. Doch nach 1963, so Acker, habe es in hier in der Region keine Eisschollen mehr auf dem Rhein gegeben.

In die Annalen ist der Winter 1928/1929 als Extremwinter eingegangen. Damals gelangte kalte Festlandluft einer skandinavischen Hochdruckzone aus Osten nach Mitteleuropa. Die Temperaturen erreichten Tiefstwerte von bis zu minus 37 Grad Celsius. Damals, so ist überliefert, froren praktische alle Gewässer in Deutschland zu. Joachim Acker kann sich noch an arktische Wintertemperaturen von 24 Grad unter Null erinnern - aber auch das ist schon lange her.

(RP)
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