Hintergrund Auf den Spuren der Vergangenheit

Dinslaken · Die Isaacons aus Dinslaken waren eine bekannte Viehhändler- und Metzgerdynastie. Die Geschwister Susan und Ron Isaacson aus Amerika waren nun in Dinslaken zu Gast. Auf dem Jüdischen Friedhof besuchten sie die Gräber ihrer Familie.

 Ben, Robert, Ron und Susan (von links) auf dem jüdischen Friedhof in Dinslaken. Foto: AP

Ben, Robert, Ron und Susan (von links) auf dem jüdischen Friedhof in Dinslaken. Foto: AP

Foto: Isaacson

DINSLAKEN Am Anfang stand eine Mail: Thomas Schroer, ein Mitglied des Vereins "Stolpersteine für Dinslaken" schrieb sie vor zwei Jahren an Susan Isaacson in Seattle. Ob sie verwandt sei mit Dr. Walter Isaacson, lautete eine Frage. Es stellte sich heraus, dass sie die Tochter von Walter Isaacson, dieser jedoch nicht der Gesuchte war. Ihr Vater war ein Cousin zweiten Grades. Der Kontakt riss nicht ab. Bald schrieben auch wir uns, denn ich hatte Fragen zu ihrer Familie, deren Ursprung ja in Dinslaken lag.

Ein weiterer Gesprächspartner kam hinzu: Susans Bruder Ron, der mit seiner Frau Lucie in New Jersey lebt. Der Großvater der Geschwister war der in Dinslaken geborene Metzger Sally Isaacson, der mit seiner Familie in Duisburg-Ruhrort gelebt hatte. Susan schickte mir die Erinnerungen ihrer Mutter Margot Isaacson, der Schwiegertochter von Sally, einer geborenen Landau aus Duisburg zu. Ich wiederum konnte Fragen zum Schicksal von Sally Isaacson und dessen Ehefrau Emma Albersheim beantworten.

Sally war im April 1942 nach Izbica deportiert worden. Über das Schicksal seiner Ehefrau war wenig bekannt - sie war vor der Deportation ihres Ehemannes verstorben. Anhand von Unterlagen aus Köln konnte ich belegen, dass sie in einem jüdischen Krankenhaus, dem "Israelitischen Asyl" in Köln verstorben war. Zu diesem Zeitpunkt wurden die deutschen Juden nicht mehr von nicht-jüdischen Ärzten behandelt. Emma Isaacson wurde auf dem Jüdischen Friedhof in Bocklemünd bestattet. Die Kölner Synagogengemeinde schickte mir ein Bild ihres Grabsteins zu, das ich in die USA weiterleitete.

Ich stellte den Geschwistern auch das Projekt Stolpersteine von Gunter Demnig vor. Ihnen gefiel es - und im Dezember 2015 verlegte Gunter Demnig die Stolpersteine für das Ehepaar Isaacson in Ruhrort. Nun besuchten Susan Isaacson mit Ehemann Robert, Sohn Ben und Tochter Mimi sowie Ron Isaacson mit Ehefrau Lucie für einige Tage Duisburg und Dinslaken.

Es war ein besonderer Moment, als wir den Jüdischen Friedhof in Dinslaken betraten. Bald standen wir vor dem Grabstein von David Isaacson, dem Vater von Sally Isaacson. Interessant: die Schreibweise auf dem Stein ist Isaaksohn, anders als die in Dinslaken übliche. Der Zufall wollte es, dass dessen Urenkel Ben an diesem Tag seinen 23. Geburtstag feierte. Wir fanden auch die Grabsteine von Isaak Isaacson und dessen Ehefrau Amalie, geborene Rosenhelm. Isaak war der Bruder von David.

Nach dem Friedhofsbesuch gingen wir die Dinslakener Innenstadt. Ich zeigte unseren Besuchern die Stelle, an der die Metzgerei von Leo Isaacson stand - Sallys Bruder. Hier hatte bereits Urgroßvater David seine Metzgerei betrieben. Ich zeigte ihnen auch die Stolpersteine auf der Neustraße, den Standort des Waisenhauses und die Skulptur von Alfred Grimm zur Familie von Klempnermeister Julius Isaacson, einem weiteren Bruder von Sally.

Julius war mit seiner Ehefrau die Flucht nach Argentinien gelungen. Der Zahnärztin Susan Isaacson entfuhr es angesichts einer dargestellten Zange: "Oh, er hat dieselben Geräte benutzt wie ich heute!" Ehemann Robert lachte: "Deine Wurzeln!" Sie erinnerten sich, dass die Familie einige Zeit Kontakt zu Max Isaacson, einem Sohn von Julius, hatte. Beide fanden nach dem Rundgang: "Dinslaken ist ein schöner Platz zum Leben!" Aber wir waren auch nachdenklich: Wie schrecklich musste es für die Juden in Deutschland gewesen sein, in der NS-Zeit so erbarmungslos stigmatisiert und verfolgt zu werden. Am nächsten Tag fand die Stolperstein-Verlegung für die Großeltern mütterlicherseits, Jenny und Oskar Landau, in Duisburg statt. Sie war für alle sehr bewegend.

(RP)
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