Dinslaken Awo gibt Wohnungslosen ein Zuhause

Dinslaken · Auch der 24-jährige Timo fand durch das Team der Arbeiterwohlfahrt wieder zurück in einen geregelten Alltag.

Ein richtiges Zuhause hat Timo nie gekannt. Wenn seine Mutter umzog - meistens wegen eines Mannes - musste er mit. Von der Ukraine nach Deutschland, den Niederrhein rauf und runter. Die Wohnungen wechselten, die Männer auch, die meisten hatten Probleme mit dem Kind aus einer anderen Beziehung, und auch Timo kam mit ihnen selten klar. Wenn der heute 24-Jährige über seine Kindheit spricht, dann klingt das nüchtern und abgeklärt, aber die Wortwahl ist verräterisch. Die Verletzungen sitzen tief. "Ich war schon als Kleinkind auf mich selbst gestellt", sagt er. Oder: "Ich habe mich oft allein gefühlt." Und: "Familie ist für mich ein ganz komisches Wort, Halt habe ich nie empfunden." Es kam, wie es kommen musste. Probleme in der Schule, Drogen, zwei abgebrochene Ausbildungen, Zwangsräumung, er stand auf der Straße.

"Ich hab' dann mal hier und mal dort geschlafen". Ein Leben ohne Perspektive. Eine Depression kam dazu, der junge Mann dachte an Suizid. Doch dann machte es Klick bei ihm. "So kann es nicht weitergehen." Dass er inzwischen auf einem guten Weg ist, hat er auch dem Team der Wohnungslosenhilfe des Kreisverbandes der Arbeiterwohlfahrt (Awo) Wesel zu verdanken.

Claudia Niedermeyer, Anja Stahl, Nadine Kowalewski und Yvonne Rosengart kümmern sich an der Schillerstraße 62a in Dinslaken um wohnungslose Menschen. Natürlich nicht nur dort. Die Mitarbeiterinnen haben auch viele Außentermine. Die Awo betreut eine Wohngemeinschaft am Hülsermannshof und bietet außerdem in Dinslaken selbst Wohnraum an. Zudem kümmert sich ein Team von Sozialarbeitern um Menschen im ambulant betreuten Wohnen, auf dem Weg zurück in ein selbstständiges Leben. Aber die Schillerstraße 62a ist für Betroffene die erste Anlaufstelle. Auch für Timo. Nach einem Klinikaufenthalt schickte ihn das Jobcenter zur Awo. Auch wohnungslose Menschen brauchen eine Postanschrift, zum Beispiel, um Hartz IV beziehen zu können. Wer das erste Mal bei Claudia Niedermeyer und ihren Kolleginnen aufschlägt, den lassen sie erst einmal ankommen. "Ganz zwanglos" beschreibt Claudia Niedermeyer den ersten Kontakt. In Ruhe einen Kaffee trinken, ein bisschen Smalltalk. Wenn der läuft, ist eine Basis geschaffen. Dann wird in Gesprächen herausgearbeitet, wo die Probleme liegen, wie der Weg zurück in einen geregelten Alltag aussehen könnte.

Wohnungslosigkeit ist in der Regel die Spitze des Eisbergs. Wer seine Wohnung verliert, hat auch noch andere Probleme. Sucht- oder psychische Erkrankungen, Überschuldung, Verlust von Job und sozialen Kontakten und vieles mehr. Das Team aus der Schillerstraße ist eingebunden in ein Netzwerk von Beratungsstellen, vermittelt zum Beispiel zur Sucht- oder Schuldnerberatung. Robert Khatal, Abteilungsleiter beim Awo-Kreisverband, betont die gute Zusammenarbeit mit Ämtern und Beratungsstellen anderer Organisationen. Das Team der Schillerstraße sei "die Schaltstelle für das, was danach kommt". 254 wohnungslose Frauen und Männer wurden im vergangenen Jahr betreut, 53 mehr als noch im Jahr 2014.

Auch Timo gehörte dazu. Ihn brachten die Sozialarbeiterinnen im Hülsermannshof unter, in einer Wohngemeinschaft mit sechs Plätzen. Für ihn, so der junge Mann, sei der Hülsermannshof ein Sprungbrett zurück in ein normales Leben gewesen. Vier Monate hat er dort gewohnt, "und auch, wenn's nur ein Zimmer war, war es ein beruhigendes Gefühl, meine eigenen vier Wände zu haben". In der Zeit wurde Timo von der Awo betreut, die Betreuung läuft weiter, auch nachdem er in eine reguläre Wohnung gezogen ist.

(RP)
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