Philip B. aus Dinslaken Der Gotteskrieger von nebenan

Dinslaken/Damaskus · Als Philip B. noch am Niederrhein lebte, arbeitete er in Voerde als Pizza-Bote. Inzwischen nennt sich der zum Islam konvertierte Dinslakener "Abu Osama" und wirbt von Syrien aus mit einem Internet-Video für den "Heiligen Krieg".

 Philip B. alias „Abu Osama“ aus Dinslaken posiert in einem Internet-Video mit einer Kalaschnikow. Er konvertierte vor vier Jahren und verehrt Osama bin Laden.

Philip B. alias „Abu Osama“ aus Dinslaken posiert in einem Internet-Video mit einer Kalaschnikow. Er konvertierte vor vier Jahren und verehrt Osama bin Laden.

Foto: Screenshot Vimeo

Als frühere Bekannte Philip B. zum letzten Mal in Deutschland sahen, war er als Pizza-Bote unterwegs. Und sie machten noch Witze: Der sehe ja so aus, als werde er irgendwann komplett durchdrehen und etwas in die Luft sprengen. Inzwischen ist Philip B. tatsächlich als Bote des islamistischen Terrornetzwerks Al-Qaida unterwegs, um deutsche Muslime für den Kampf gegen das Assad-Regime in Syrien anzuwerben. In einem Video, das vor wenigen Tagen im Internet auftauchte, erklärt Philip B., er habe sich der "Karawane des Dschihad angeschlossen".

Dass Al Qaida Videos zur Rekrutierung einsetzt, ist nicht neu. Erstmals tritt nun aber mit Philip B. ein identifizierbarer Deutscher in deutscher Sprache in einem Anwerbe-Film auf. Das Video sei den Sicherheitsbehörden bekannt und werde gerade ausgewertet, bestätigt Markus Beyer-Pollok, Pressesprecher des Bundesamts für Verfassungsschutz.

Für frühere Bekannte, die mit Philip B. zur Berufsschule gingen und beim SuS 09 Dinslaken mit ihm Fußball spielten, besteht kein Zweifel an der Identität des Gotteskriegers. Auch der Vergleich mit Fotos von seiner Facebook-Seite, eine charakteristische Tätowierung am Hals sowie ein Siegel-Ring lassen wenig Zweifel daran, dass es sich bei "Abu Osama" um den 26-jährigen Dinslakener handelt.

In dem Video erklärt Philip B., er sei vor vier Jahren zum Islam konvertiert, und er nenne sich nun "Abu Osama" nach dem Drahtzieher der Anschläge vom 11. September 2001 auf das World Trade Center, den er liebe, weil Osama bin Laden "den Köpfen der Ungerechtigkeit einen Schlag verpasst" habe. Philip B. fordert deutsche Muslime auf, ebenfalls nach Syrien auszuwandern und sich dem Heiligen Krieg anzuschließen: "Wir haben alles da, Essen, Trinken, besser als in Deutschland!" Es gebe Grenzgebiete, in denen die Gotteskrieger mit ihren Familien unbehelligt leben könnten. Original-Ton Philip B.: "Du lebst in Deutschland, gehst zur Disko, hast eine Freundin, was bringt dir das? Heirate! Du musst keine Unzucht machen. Du darfst bis zu vier Frauen haben!"

Die Sicherheitsbehörden machen eine steigende Tendenz bei der Neigung in Deutschland lebender oder hier konvertierter Muslime aus, sich in Syrien dem Terrornetzwerk anzuschließen. Während laut Verfasssungsschutzbericht bereits im vergangenen Jahr die Anzahl der Reisebewegungen von Personen aus dem islamistischen Spektrum in Richtung Afghanistan und Pakistan stark abgenommen hat, steht Syrien bei den Islamisten hoch im Kurs. Rund 220 Personen sind den Sicherheitsbehörden bekannt, die inzwischen nach Syrien eingewandert sind oder sich auf den Weg gemacht haben. Bei der Mehrheit soll es sich um deutsche Staatsbürger handeln. Die meisten von ihnen haben den Weg über die Türkei gewählt. Der Verfassungsschutz beobachte die Entwicklung mit wachsender Sorge, heißt es.

In Dinslaken löst die Wandlung des verwirrten Pizza-Boten zum Botschafter des Terrors Besorgnis und Unbehagen aus. "Auf was für Ideen die Leute heute kommen", sagt der frühere Fußball-Trainer von Philip B. beim Betrachten des Werbe-Videos für das Terror-Netzwerk. Ein früherer Mitschüler berichtet, Philip B. sei ihm nie richtig aufgefallen: "Aber als mir das Video geschickt wurde, dachte ich sofort: Das ist ja der Philip." Eine frühere Nachbarin berichtet, B.'s Wohnungstür sei eines Tages aufgebrochen gewesen und bis zu seinem Verschwinden vor einem halben Jahr auch nicht repariert worden.

Die deutschen Sicherheitsbehörden betrachten die rund 220 deutschen Islamisten in Syrien vor allem als eine Gefahr der Zukunft. Dass Philip B. in dem Video mit einer Kalaschnikow posiert, könnte schließlich mehr als eine Pose sein. In der unübersichtlichen Bürgerkriegs-Lage ist kaum nachvollziehbar, ob Al-Qaida-Anhänger wie Philip B. sich weiter radikalisieren, im Umgang mit Waffen und Sprengstoff ausgebildet werden und später auch in Deutschland Anschläge planen.

(RP)
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