Reportage Am Montag Der gute Hirte aus Walsum

Dinslaken · Florian Preis ist Schafzüchter und lebt im Duisburger Norden. Er arbeitet leidenschaftlich gerne in seinem Beruf, doch das Geschäft ist schwierig. 99 Prozent der Lämmer, die auf den Tellern landen, stammen aus Neuseeland.

 Diese beiden Schützlinge des Duisburger Schäfers fühlen sich sichtlich wohl. Florian Preis achtet darauf, dass es den Tieren gut geht.

Diese beiden Schützlinge des Duisburger Schäfers fühlen sich sichtlich wohl. Florian Preis achtet darauf, dass es den Tieren gut geht.

Foto: CHRISTOPH REICHWEIN

Walsum Florian Preis geht gern zu Fuß. Mal sind es nur wenige hundert Meter, mal ein bis zwei Kilometer, oft sind es deutlich mehr. Er marschiert von Oberhausen nach Walsum, von Walsum in die Stadtmitte, und von dort aus weiter nach Rheinhausen. Und wenn er sich auf den Weg macht, mit seinem geliebten schwarzen Hut auf dem Kopf und bewaffnet mit seinem Hirtenstab, dann bezeichnet er sich gerne als "Geißel der Stadtmenschen und Autofahrer".

Als Geißel sieht er sich deshalb, weil er eigentlich nie alleine unterwegs ist. Florian Preis ist 36 Jahre alt und Schäfer. Wenn er auf dem Weg zu seinen Weiden durch die Straßen zieht, dann ist er Herr über 230 Schafe und Lämmer. "Für die Autofahrer ist das schon eine echte Belastungsprobe, wenn ich mit meiner Herde durch die Straßen laufe", sagt Preis. "Tatsächlich reagieren die meisten aber freundlich bis amüsiert. Es kommt ja schließlich nicht alle Tage vor, dass da jemand mit über 200 Tieren durch die Duisburger Straßenschluchten zieht."

Preis' Geschichte beginnt im Jahr 2001. Bis dahin lief bei ihm eigentlich alles in "normalen" Bahnen: Schule, Berufsausbildung, geordneter Alltag. Er selbst war damals so ein "Stadtmensch". Geboren und aufgewachsen in Walsum, kam er mit nicht einmal 20 Jahren eher zufällig zur Schäferei. "Wir hatten uns damals einen Schafpudel angeschafft", erinnert sich Preis. Um zu schauen, wie der Hüte-Hund sich verhält und um ihn auszubilden, habe er eine Woche lang eine Schäferin in Niedersachsen begleitet. "Ich bin gewissermaßen durch den Hund aufs Schaf gekommen", sagt Preis. "Da hat mich das Fieber gepackt und nicht mehr losgelassen." Die Freiheit und die Arbeit mit den Tieren in der Natur hätten ihn fasziniert. "Für mich war relativ schnell klar, dass ich das machen will. Deshalb habe ich mich dann zum Tierwirt mit Schwerpunkt Schafhaltung ausbilden lassen."

 Florian Preis ist Schäfer aus Leidenschaft.

Florian Preis ist Schäfer aus Leidenschaft.

Foto: Christoph Reichwein

Bis er seine eigene Herde hatte, einen Stall und eine eigene Weidefläche, war es allerdings noch ein weiter Weg. Viele seiner Bekannten hatten ihm von seinen Plänen abgeraten, auch seine Familie hatte er erst überzeugen müssen. Außerdem fehlte ihm hier die geeignete Infrastruktur. Doch nach langer Suche fand er im Jahr 2013 in Oberhausen-Holten schließlich ein geeignetes Grundstück.

Er startete mit 41 Schafen, 400 Euro pro Tier, gekauft bei einem Düsseldorfer Züchter. Die Familie half ihm dabei, einen Stall zu bauen. "Rund 8000 Euro hat der gekostet. Alles an dem Stall ist Handarbeit und in Eigenregie entstanden", sagt Preis. "Ich habe damals nur einen Architekten und einen Statiker drüberschauen lassen, damit mir das Teil nicht über dem Kopf zusammenbricht." Danach ging es für den Schäfer stetig aufwärts. Die Herde wuchs.

Heute sind es mehr als 230 Tiere, viele von ihnen hat er mit der Flasche großgezogen. Das Geschäft ist allerdings ein schwieriges. In den vergangenen 20 Jahren hat Lammfleisch aus Neuseeland den Markt überschwemmt, die Preise sind entsprechend niedrig. Ihm bleiben am Ende des Monats oft nur rund 400 Euro zum Leben. "99 Prozent der Lämmer, die auf deutschen Tellern landen, stammen aus Neuseeland", sagt der Schäfer. "Diesen Wahnsinn muss man sich einmal klar machen. Das Fleisch ist vor dem Verzehr einmal um den halben Globus geflogen und noch immer billiger, als wir es anbieten können."

Aus diesem Grund kämpft der Schäfer derzeit mit vielen seiner Kollegen in Berlin um die Einführung einer Weidetierprämie. 38 Euro pro Tier soll die ihm im Jahr bringen - ein Zubrot, das Preis sehr gut gebrauchen kann, denn er hat noch große Pläne. "Ich will gerne eine Lernschäferei gründen", sagt er. "Ich möchte den Stadtmenschen gerne die nachhaltige Aufzucht von Tieren näherbringen. Eine Weidetierprämie, die ja auch der Landschaftspflege dient, würde das sehr viel leichter machen."

In der Vergangenheit musste der Schäfer kreativ sein, um über die Runden zu kommen. "Ich verkaufe sogenannte Schafaktien", erklärt Preis. "Für 100 Euro gibt es eine Aktie. Der Käufer erhält dafür nach 18 Monaten zwölf Kilogramm Lammfleisch im Wert von 120 Euro." Das sei in Zeiten von Niedrigzinsen doch eine beachtliche Rendite, meint er und lächelt.

Auch wenn die Weideprämie nicht kommen sollte, aufgeben will Preis seinen Beruf nicht. Er hat in dem Job seine Erfüllung gefunden. "Es macht mir großen Spaß", sagt er. "Ich werde also auch in den kommenden Jahren noch mit meinen Schafen auf den Straßen unterwegs sein - zum Ärger der Stadtmenschen und Autofahrer."

(th)
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