Dinslaken Der Kartoffelkäfer und die Liebe

Dinslaken · Wer wagt, gewinnt. Manchmal. Diejenigen, die sich für den zweiten "Blind Date"-Abend des Kulturhauptstadtjahres Tickets besorgt hatten, gehörten ohne Zweifel zu den Gewinnern. Die Akkordeonistin Cordula Sauter belohnte sie mit einer melancholischen Reise durch drei bewegende Geschichten.

Cordula Sauter präsentierte im Wohnzimmer der Dinslakener Familie Kazur nicht nur ihre Kunst an den Tasten, sondern gleichermaßen ihr erzählerisches Talent. Nur wer eine Eintrittskarte gekauft hatte, erfuhr auch, wo der zweite von insgesamt sechs "Blind Date"-Abenden stattfinden würde. Für so viel Neugierde auf Seiten der Kulturinteressierten bedankte sich deshalb noch schnell vor Programmstart Thomas Pieperhoff, Städtebeauftragter für die Ruhr.2010 in Dinslaken.

Dreimal Maria

Das Licht wird gedimmt, ein Scheinwerfer eingeschaltet und gespannt zur Wohnzimmertüre geschaut. Cordula Sauter tritt durch die Zuschauerreihen Richtung Fensterfront, die an diesem Abend ihre Bühne sein wird. Die Freiburger Akkordeonistin gehört zu den Menschen, die einen ganzen Raum spielend mit ihrer Ausstrahlung einnehmen können. Augenblicklich freut man sich auf die Geschichte, die sie erzählen wird und ist kaum überrascht, dass es nicht nur ein Lebensweg ist, auf den die Künstlerin ihr Publikum mit erzählerischen und musikalischen Passagen entführt. Alle drei Geschichten handeln von Frauen. Sie heißen, je nach länderspezifischer Aussprache verschieden, Marie oder Maria. Sie leben in Deutschland, Russland und Frankreich. Sie alle suchen die Liebe und ihnen allen kommt sie immer wieder abhanden. "Haben Sie eine verflossene Liebe?" fragt Cordula Sauter ihr Publikum und wohl keiner könnte da den Kopf schütteln, verstünde nicht, welches Gefühl das Akkordeon in den kommenden Minuten so tieftraurig untermalt.

Getragen von Tango, Musette und Klezmer, zeichnet Sauter die Lebenswege der jungen Frauen nach. Im fliegenden Wechsel ändern sich die Szenerien, mal lauscht das Publikum den Klezmer-Melodien einer Hochzeit, dann irrt es gemeinsam mit der französischen Marie über den überfüllten Rummel und hält Ausschau nach einem Akkordeonisten.

Tango und Milonga

Ganz leicht verbindet Cordula Sauter, die seit 36 Jahren Akkordeon spielt, in ihrem Musiktheaterstück musikalische, erzählerische und schauspielerische Elemente. Sie spielt, berichtet und interpretiert mit Mimik und Gestik, beschwört mit ihren Tangos und Milongas Leidenschaft und Lebensfreude, gepaart mit Sehnsucht, Trauer und Heimweh und zaubert mit den schwungvollen Musettes Lebenslust auf die (Wohnzimmer-)Bühne. Besonders das Schicksal der deutschen Marie erzählt die Künstlerin mit viel Herzblut. Maries Mann Franz, ihr "Schnucki", musste nach Argentinien auswandern, um Geld zu verdienen, das der Familie fehlt, seit der Kartoffelkäfer über Jahre die Ernten verwüstetet hat.

Kräftiger Applaus

An der Zuversicht nagende Jahre ziehen ins Land, Zweifel und Hoffnung auf Wiedersehen wechseln sich ab. Übrig aber bleibt die Erkenntnis: "So ist das eben mit unseren Lieben – irgendwie bleiben sie uns immer erhalten." Darauf einen langen Applaus.

(RP)
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