Mitglied der "Lohberger Gruppe" Dinslakener Familie kauft Islamisten frei

Dinslaken · Ein junger Islamist aus Dinslaken, der in Syrien im Bürgerkrieg gekämpft haben soll, ist offenbar von seinen Eltern gegen eine hohe Geldsumme nach Hause zurückgeholt worden. Er gehörte wohl der extremistischen "Lohberger Gruppe" an.

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Foto: afp, FETHI BELAID

In Dinslaken-Lohberg sind die Bewohner meistens gerne unter sich. Viele von ihnen fühlen sich ausgegrenzt vom Rest der Stadt. Der Großteil der rund 5700 Bewohner des Ortsteils hat einen Migrationshintergrund. Es gibt eine Grundschule, auf der 90 Prozent der Schüler türkischstämmig sind. Deutsch wird dort wenig gesprochen, weil es kaum eines der Kinder richtig kann. Neben zwei Moscheen gibt es in Lohberg noch einige Kulturvereine. Die Jugend trifft sich am Kiosk am Marktplatz. Dort sollen auch Mustafa K.(26) und Philip B. (24) oft gewesen sein, bevor sie nach Syrien in den Bürgerkrieg gezogen sind, um sich einer islamistischen Widerstandsgruppe anzuschließen.

Die beiden werden von vielen Jugendlichen im Stadtteil verehrt wie Helden. Sie gehören der "Lohberger Gruppe" an, die aus 23 zum Teil radikalen Mitgliedern bestehen soll. Hinzu kommen noch einmal etwa doppelt so viele Sympathisanten. "Es handelt sich um Jugendliche und junge Erwachsene, die einen geringen Bildungsstand haben und in der Gesellschaft bislang nicht angekommen sind", erklärt der Dinslakener Caritasdirektor Michael van Meerbeck. Von diesen Heranwachsenden gebe es in Lohberg einige, berichtet er. Sie seien besonders anfällig für die radikalen Ansichten der Extremisten, betont der Caritas-Chef. Wie viele genau von ihnen nach Syrien in den Krieg gezogen sind, ist nicht bekannt.

Doch nach Informationen unserer Zeitung soll mindestens ein Mitglied der "Lohberger Gruppe" wieder zurück in Dinslaken sein. "Seine Eltern haben ihn bei den Islamisten freigekauft", sagt ein Insider. "Dafür hat sich die Familie verschuldet." Die Geldsumme ist nicht bekannt. Experten schätzen aber, dass sie mindestens im sechsstelligen Bereich liegen muss. Der junge Mann soll gemeinsam mit Mustafa K. und Philip B. nach Syrien gegangen sein. Die beiden gelten als extrem gefährlich. So posiert Mustafa K. auf einem Foto im Internet mit zwei abgetrennten Köpfen.

Der Kriegsrückkehrer will angeblich nichts mehr mit seinen ehemaligen "Glaubensbrüdern" zu tun haben. Es heißt, dass er ein völlig neues Leben anfangen möchte. Für solche Fälle gibt es beim Innenministerium ein Aussteigerprogramm für Salafisten. Ob der junge Mann aus Dinslaken die Hilfe in Anspruch genommen hat oder nehmen möchte, ist nicht bekannt. Trotzdem steht er wohl unter Beobachtung des Verfassungsschutzes. Denn die Sicherheitsbehörden stufen Kriegsheimkehrer wie ihn als gefährlich ein. Innenminister Ralf Jäger (SPD) erklärt: "Rückkehrer aus den Kampfgebieten bereiten uns große Sorgen. Sie haben sich weiter radikalisiert und sind im Umgang mit Waffen und Sprengstoff geschult."

Nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes sind bislang mindestens 15 der rund 110 Islamisten aus Deutschland, die sich den islamistischen Widerstandskämpfern in Syrien angeschlossen haben, in ihre Heimatstädte zurückgekehrt — etwa fünf davon nach NRW.

Die Ermittler versuchen, möglichst jede Ausreise eines Islamisten nach Syrien zu verhindern. Doch die rechtlichen Hürden für ein solches Verbot liegen hoch, so dass nicht jede Ausreise verhindert werden kann. Ähnlich sieht die Gesetzeslage bei der Rückreise der Dschihadisten nach Deutschland aus. "Unser Ziel ist es, Straftäter, die nach Deutschland zurückkehren wollen, bereits an der Grenze festzunehmen", betont Jäger. Dafür müssen die Sicherheitsbehörden den Islamisten jedoch erst eine strafbare Handlung wie etwa ein Kriegsverbrechen nachweisen. Dafür tauschen Bund und Länder ihre Erkenntnisse über Salafisten aus. "Beim Verdacht werden Ermittlungs- und Strafverfahren eingeleitet", sagt der Innenminister.

Wenn Michael van Meerbeck durch Lohbergs Straßen geht, blickt er oft auf Fenster mit heruntergelassenen Rollläden oder zugezogenen Vorhängen. "Der Islamismus spielt sich im Verborgenen ab", sagt der Caritas-Direktor. "Die Gebetsräume sind in den Wohnungen." Damit sich nicht noch mehr Jugendliche radikalisieren, müssten sich alle Institutionen in Lohberg an einen Tisch setzen. "Wir müssen die Jugendlichen Toleranz und Demokratie lehren."

(RP)
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