Dinslaken/Celle Dinslakener Islamist berichtet von Hinrichtungen

Dinslaken/Celle · Nils D. sagt beim Prozess in Celle gegen zwei ehemalige Mitstreiter der Terrormiliz Islamischer Staat aus.

Hier auf der Krengelstraße ist Nils D. im Januar von einem Sondereinsatzkommando festgenommen worden.

Hier auf der Krengelstraße ist Nils D. im Januar von einem Sondereinsatzkommando festgenommen worden.

Foto: Martin Büttner

Vom brutalen Vorgehen der Terrormiliz Islamischer Staat hat der Dinslakener Islamist und Syrien-Rückkehrer Nils D. im Prozess gegen zwei ehemalige Mitstreiter vor dem Oberlandesgericht Celle berichtet. Er habe Folterungen und Hinrichtungen der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) miterlebt, sagte der 25-Jährige am Montag. Nils D. ist selbst in Düsseldorf angeklagt.

Von einem Scharia-Gericht verurteilte Gegner und Abtrünnige des IS seien in Syrien auf dem Marktplatz mit dem Schwert geköpft oder erschossen worden. Anschließend habe man sie gekreuzigt und mehrere Tage als Abschreckung zur Schau gestellt. "Für Christen gibt es eine Schutzsteuer von 300 Dollar pro Jahr, sonst werden sie getötet", sagte der IS-Rückkehrer. "Jesiden können keine Schutzsteuer zahlen, Schiiten können dort nicht leben." Auch wer der Terrormiliz den Rücken kehren wollte, hatte nichts Gutes zu erwarten. "Wenn man sich abkehren will vom IS, ist man automatisch ein toter Mann."

Selbst der Chef seiner Gefängniseinheit, der nach dem Geschmack höherer Vorgesetzter nicht streng genug auftrat, sei vor den Augen anderer IS-Kämpfer erschossen worden. "Die Gefängnisgruppe war eine Art Geheimpolizei", beschrieb Nils D. seinen Einsatz.

Terror-Helferin aus Bonn in Düsseldorf verurteilt
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Foto: dpa, mb htf

Die Schilderungen sind wichtig zur Bewertung der Aussagen der beiden in Celle vor Gericht stehenden 26 und 27 Jahre alten Deutsch-Tunesier aus Wolfsburg. Diese hatten gesagt, sie hätten sich aus Angst vor Repressalien auch nach ihrer Abkehr von der IS-Ideologie als fanatische Unterstützer gegeben, um sich lebend nach Deutschland retten zu können. Einem der beiden wirft die Anklage vor, in Kämpfe verwickelt gewesen zu sein, der andere stand laut Anklage kurz davor, einen Selbstmordanschlag in Bagdad zu verüben.

Nils D. war nach seiner Rückkehr aus Syrien am 10. Januar dieses Jahres von einem Sondereinsatzkommando auf der Krengelstraße verhaftet worden. Der Dinslakener war seit Oktober 2013 in Syrien, war seinem inzwischen bei einem Selbstmordattentat ums Leben gekommenen Cousin Philip B. als Teil der berüchtigten Lohberger Brigade in den angeblich heiligen Krieg gefolgt. D. blieb ein Jahr bei der Terrormiliz Islamischer Staat (IS), kehrte zurück und stand offenbar bis zu seiner Festnahme unter Beobachtung. Im September dieses Jahres hat die Bundesanwaltschaft Anklage gegen ihn erhoben.

Mehrere deutsche Dschihadisten sind nach Angaben von Nils D. bei einer Spezialeinheit der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) an Folterungen und Hinrichtungen beteiligt gewesen. In der Abteilung "Sturmtrupp" seien sie für die Festnahme von Abweichlern und Deserteuren zuständig gewesen. Diese hätten eine zentrale Rolle gespielt im Repressionssystem der Organisation, das sich nicht nur gegen die Zivilbevölkerung richtet, sondern zunehmend auch gegen eigene Kämpfer. In Manbij, einer Kleinstadt etwa 40 Kilometer von Aleppo entfernt, sei der "Sturmtrupp", zu dem Nils D. gehörte, untergebracht gewesen. Der Dinslakener bestreitet allerdings bislang, an diesen Gräueltaten beteiligt gewesen zu sein, obwohl sich auf seinem Handy ein Foto gefunden haben soll, auf dem er zu sehen ist, wie er einem Gefangenen die Waffe an den Kopf halte. Lediglich bei Festnahmen will Nils D. nach eigener Aussage mitgemacht haben, ansonsten habe er gekocht, eingekauft und einen Gefangenenputztrupp überwacht. Auch habe er als Dolmetscher fungiert, als ein Islamist aus Mönchengladbach als Verräter beschuldigt worden sei und sich vor einem "Richter" verantworten musste. Im Januar 2016 soll Nils D. vor dem Oberlandesgericht in Düsseldorf der Prozess gemacht werden.

(p-m/dpa/jöw)
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