Reportage am Montag Durch Magie zu neuer Beweglichkeit

Dinslaken · Die Ortsvereinigung Dinslaken-Voerde-Hünxe der Deutschen Multiple Sklerose Gesellschaft (DMSG) bietet Zauberei als Therapie an. Mit Hilfe von Zaubertricks verbessern MS-Erkrankte ihre Motorik - und haben sehr viel Spaß an der Sache.

 Zaubern ist keine Hexerei: Anja Schwinem, Andre Brieß, Christa Kugler, Cornelia Reif und der Magier Jürgen Reif studieren einen Trick mit bunten Tüchern ein.

Zaubern ist keine Hexerei: Anja Schwinem, Andre Brieß, Christa Kugler, Cornelia Reif und der Magier Jürgen Reif studieren einen Trick mit bunten Tüchern ein.

Foto: Martin Büttner

"Zauberei als Therapie" steht auf einem Schild, das an der Tür eines der Gruppenräume im Johannahaus hängt. Hinter der Tür sind Zauberlehrlinge bei der Arbeit. Frauen und Männer stehen um einen Tisch herum, auf dem allerlei magische Utensilien ausgebreitet sind: Zauberstäbe, Tücher, Bälle, diverse Kartenspiele, kleine Rohre und Kästen. In den nächsten Stunden werden die Teilnehmer des Angebots der Ortsvereinigung Dinslaken-Voerde-Hünxe der DMSG lernen, was man mit diesen Dingen anstellen kann, um sein Publikum zu verblüffen.

Und schon beginnt die Magie. Die Teilnehmer sollen eine kleinen Ball aus ihrer Hand verschwinden lassen. Wie man das macht, zeigt ihnen Jürgen Reif. Seit 25 Jahren beschäftigt er sich in seiner Freizeit mit Zauberei und seit gut zehn Jahren mit dem so genannten "Project Magic", einer Therapiemethode, die mit Hilfe von Zaubertricks motorische, soziale und psychische Fähigkeiten stärkt und auch für Selbstvertrauen sorgen soll.

Ins Leben gerufen wurde dieses Konzept von niemand geringerem als Zauberkünstler David Copperfield, der schon die Freiheitsstatue verschwinden ließ. "Er hat einen Behinderten kennengelernt, der wegen seiner Behinderung nicht in den magischen Zirkel von Amerika durfte. Daraufhin entwickelt er dieses Projekt", erklärt Jürgen Reif.

Ganz so spektakulär wie die Illusionen des amerikanischen Vorzeigemagiers sind die Tricks nicht, die beim Zaubern als Therapie einstudiert werden. Verblüffend, sind sie trotzdem. Jürgen Reif lässt ein Gummiband, das er sich um Zeige- und Mittelfinger gewickelt hat, auf scheinbar unerklärliche Weise auf Ringfinger und kleinen Finger springen.

Die Gruppe der Teilnehmer, dieses Mal aufgrund der Ferienzeit auf vier Mitglieder geschrumpft, übt derweil, eine Kugel verschwinden zu lassen. Eine Fingerübung, die nicht gerade einfach ist und einiges an Konzentration erfordert. "Eigentlich ist Zauberei ganz einfach und deshalb kann auch jeder sie erlenen", erklärt Jürgen Reif. "Die Tricks wirken so verblüffend, weil der Zauberer einen Wissensvorsprung gegenüber seinem Publikum hat." Andre Brieß lässt eine Euro-Münze markieren und zaubert diese dann weg. Dann stellt er eine versiegelte Schachtel auf den Tisch, in deren Inneren sich eine weitere versiegelte Schachtel befindet. In dieser wiederum findet sich ein Stoffbeutel, in dem sich das zuvor markierte Geldstück befindet. Verblüffend. "Wir wissen natürlich, wie das funktioniert", sagt Cornelia Reif und trotzdem bleibt die Verwunderung beim Unwissenden und das stolze Lächeln im Gesicht des Magiers.

Für Cornelia Reif sind die Zaubertricks nicht nur eine spaßige Methode, die Beweglichkeit ihrer Hände zu trainieren. "Ich kann wegen meiner Erkrankung nicht mit meinen Enkeln über den Boden kriechen. Aber wenn ich anfange zu zaubern, dann bin ich die Heldin", erzählt sie. Auch die anderen Teilnehmer des Projekts haben schon Auftritte absolviert, zum Beispiel vor anderen Kranken oder bei anderen Einrichtungen der Selbsthilfegruppe. "Das ist schon ein schönes Gefühl, diese Tricks zu zeigen und die Zuschauer zu verzaubern", erklärt Andre Brieß.

Natürlich geht hin und wieder auch mal eine Demonstration schief. Als Anja Schwinem ein Tuch in ihrer Hand verschwinden lassen möchte, sieht man, durch eine nicht ganz exakt ausgeführte Handbewegung, wohin der Stoff "verschwunden" ist. Das macht nichts: Einfach weiter üben. "Wir haben alle Probleme mit der Feinmotorik. Manchmal klappen die Sachen und manchmal nicht", erklärt Andre Brieß. Doch wenn sie klappen, dann ist die Verblüffung groß. Da erscheinen in Seilen von Zauberhand Knoten, Tücher fügen sich zusammen und Gegenstände verschwinden aus Beuteln und Kisten - oder tauchen aus dem Nichts darin auf. Die meisten der Zaubereien funktionieren mit Alltagsgegenständen. "Es ist einfach spannender, wenn man jederzeit und überall ein wenig Zauberei vorführen kann", erklärt Jürgen Reif. Außerdem ist die Anschaffung von Zauberutensilien ein teurer Spaß. "Man bezahlt dabei nicht unbedingt die Materialkosten, sondern die Idee, die hinter dem Trick steht", berichtet er. Für die Teilnehmer von "Zauberei als Therapie" ist das allerdings kostenlos.

(fla)
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