Bundestagswahl 2013 Ein roter Zugvogel geht auf Stimmenfang

Dinslaken · Sascha H. Wagner weiß genau, dass er es nicht in den Bundestag schaffen wird. Dennoch macht der 33-Jährige engagiert Wahlkampf. Er will möglichst viele Punkte für seine Partei sammeln und ist zuversichtlich, dass es ihm gelingt.

Der Mann sieht müde aus. Das kann nicht überraschen. Sascha H. Wagner ist in diesem Wahlkampf in Doppelfunktion unterwegs – als Landesgeschäftsführer der Linken, der ganz Nordrhein-Westfalen zu beackern hat und als Direktkandidat in einem flächenmäßig nicht kleinen Wahlkreis, der die Städte und Gemeinden Wesel, Hamminkeln, Schermbeck, Hünxe, Voerde, Xanten, Sonsbeck, Alpen, Rheinberg, Kamp-Lintfort umfasst. Da kommen schon mal 18-und-mehr-Stunden-Tage im Einsatz für die Partei zusammen. Dass der Kampf für ihn persönlich aussichtslos ist, weiß der gebürtige Essener.

So optimistisch, dass er glaubt, den Wahlkreis direkt zu holen, ist er nun doch nicht, und auf der Landesliste seiner Partei ist sein Name nicht zu finden. "Wir achten eben doch noch auf die Trennung von Mandat und Parteifunktion", erklärt er das. Macht ihm aber nichts aus, sagt er. In den Bundestag einzuziehen ist sein Ziel nicht. Er kämpft für eine starke Linke, und dabei merkt man ihm den fehlenden Schlaf dann nicht mehr an.

33 Jahre ist der gelernte Krankenpfleger alt, engagiert hat er sich auch, bevor er in die Parteipolitik eingestiegen ist. Wagner war in der Jugendarbeit aktiv, war unter anderem Vorsitzender des Stadtjugendrings in Dinslaken. Seine Arbeit als Gruppenleiter im Jugendbund Zugvogel hat ihn nachhaltig geprägt, wie er sagt. Er kommt aus einem Arbeiterelternhaus, tendierte zu Rot, zu Grün. Damit war's vorbei, als Rot-Grün sich auf Kriegseinsätze einließ. "Das konnte ich als Pazifist nicht mitmachen", erklärt Wagner, der den Wehrdienst – er spricht natürlich von Kriegsdienst –verweigert hat, Zivildienst leistete und so zu seinem Beruf in der Pflege fand.

2005 zog er nach Dinslaken, und er trat in die PDS ein, blieb auch in der vereinigten Linken und machte eine Karriere, die er so, wie er sagt, überhaupt nicht geplant hatte. "Schon den Jugendlichen habe ich immer erzählt, dass man sich engagieren muss und Verantwortung übernehmen, wenn man etwas verändern will. Diesen Anspruch habe ich auch an mich", sagt Wagner.

Verantwortung hat er dann übernommen. Auch und gerade dann, wenn's mal wieder knirschte in der Partei. Als Kreisgeschäftsführer – ein Amt, das er heute noch ausübt – als die Partei im Kreis Wesel nach für sie eigentlich recht erfolgreicher Kommunalwahl von internen Querelen geschüttelt wurde. Wagner leitete das Wahlkreisbüro von Niema Movassad, als dieser in den Bundestag eingezogen war, arbeitet dann als persönlicher Referent für den Fraktionschef der Linken im Düsseldorfer Landtag, Wolfgang Zimmermann und war zur Stelle, als die nordrhein-westfälische Linke sich praktisch selbst wieder aus eben diesem Landtag katapultiert hatte. Er hat für den Posten des Landesgeschäftsführer kandiert, die Partei hat ihn gewählt und ist, wie er findet, inzwischen wieder auf einem guten Weg. 6800 Mitglieder hat der Landesverband jetzt, bis zum Wahltag, denkt Wagner, ist die 7000er-Marke überschritten. "Wir können wieder mobilisieren", ist er überzeugt.

Und auch wenn er für die nächste Legislaturperiode im Bundestag keine realistische Machtoption sieht, weil Rot-Grün – Wagner spricht lieber von Rosa-Grün – sich nicht auf eine Zusammenarbeit einlassen würde, ist er überzeugt, dass eine starke Linke viel bewegen kann, weil sie die anderen Parteien mit ihren Themen unter Druck setzt.

"Wir haben doch die Mindestlohndebatte auf die Tagesordnung gesetzt, und jetzt redet sogar schon die CDU davon, auch wenn sie es anders nennt", sagt er. Und die SPD, so findet Wagner, schreibt ohnehin bei den Linken ab. "Von den Sozialdemokraten waren viele Menschen nach der Agenda 2010 massiv enttäuscht, die SPD musste ums Überleben kämpfen, und da haben die Parteistrategen eben in unser Programm geguckt", sagt Wagner.

Der Kampf gegen die Hartz-IV-Ungerechtigkeiten ist aus Wagners Sicht natürlich immer noch bei den Linken in besseren Händen und deswegen auch ein großes Thema in seinem Wahlkampf. Und mit diesem Thema kann die Linke auch punkten. Jedenfalls ist das Wagners Erfahrung aus den Gesprächen an den Wahlständen. "Wir sagen den Menschen klar und deutlich, was wir wollen. Das kommt an." Dass er es als Linker in ländlicheren Kommunen seines Wahlkreise ungleich schwerer hat, räumt Wagner ein. Insgesamt aber laufe der Wahlkampf gut.

Vor allem da, wo die Linke wie beispielsweise in Moers oder Dinslaken mit guter Ratsarbeit überzeuge. So gesehen ist dann die Bundestagswahl für Wagner auch nur ein Etappenziel. Die nächste Aufgabe hat er schon klar vor Augen: Der Linke will, dass seine Partei bei den Kommunalwahlen im nächsten Jahr ihre Position in den Räten ausbaut.

(RP)
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